- Bei den heftigen Ausschreitungen in Kasachstan sind mindestens acht Polizisten und Soldaten der Nationalgarde getötet worden, wie das Innenministerium kasachischen Medien zufolge mitteilte.
- 317 weitere seien verletzt worden. Die Lage bleibt unübersichtlich.
- Mittlerweile hat das Militär eingegriffen: «Terroristische Banden» hätten sich in der Grossstadt Almaty einen Kampf mit Fallschirmjägern geliefert, sagte Präsident Kassym-Jomart Tokajew.
Die zentralasiatische Republik Kasachstan ist durch gewaltsame Proteste gegen hohe Gaspreise in eine tiefe Krise gestürzt worden. Am Mittwoch trat die Regierung nach beispiellosen Unruhen zurück.
In dem autoritär geführten Land wurde der Ausnahmezustand verhängt, in der Wirtschaftsmetropole Almaty kam es zu Krawallen. Demonstranten stürmten die Stadtverwaltung und die Residenz von Präsident Kassym-Jomart Tokajew.
Sicherheitsallianz sagt Hilfe zu
Angesichts der Unruhen schreitet ein von Russland geführtes Militärbündnis ein. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit werde auf Anfrage Kasachstans Friedenstruppen schicken, schrieb der armenische Premierminister Nikol Paschinjan in der Nacht zum Donnerstag bei Facebook. Armenien ist ebenfalls Mitglied in dem Militärbündnis. Zur OVKS gehören zudem Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan.
Die Soldaten sollten für einen begrenzten Zeitraum entsandt werden, «um die Lage in dem Land zu stabilisieren und zu normalisieren». Präsident Tokajew hatte zuvor das Militärbündnis um Hilfe gebeten. Bei den am Wochenende ausgebrochenen Unruhen handele es sich «nicht um eine Bedrohung, sondern um eine Untergrabung der Integrität des Staates», sagte er.
Die «terroristischen Banden» übernähmen die Kontrolle über grosse Infrastruktur-Einrichtungen im Land. Es war die zweite im Fernsehen übertragene Ansprache des Präsidenten innerhalb weniger Stunden. Der Flughafen der Stadt sei mittlerweile befreit worden, berichteten kasachische Medien unter Berufung auf den stellvertretenden Bürgermeister von Almaty, Erschan Babakumarow. Es habe eine «Spezialoperation» begonnen.
Am Mittwochnachmittag hatte der Flughafen Medienberichten zufolge mitgeteilt, der Airport sei geräumt worden und die Mitarbeiter hätten das Gelände verlassen. Grund sei, dass eine Menschenmenge das Gebäude besetzt habe. Mehrere Fluggesellschaften strichen daraufhin Flüge nach Almaty.
Unübersichtliche Lage
Die Lage war zunächst unübersichtlich. Genaue Opferzahlen gab es nicht. Es ist in der ehemaligen Sowjetrepublik, die Jahrzehnte lang von Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert wurde, die grösste Protestwelle seit Jahren. Das Land mit mehr als 18 Millionen Einwohnern grenzt unter anderem an Russland und China. Es ist reich an Öl, Gas und Uran. Trotzdem kämpft Kasachstan mit Misswirtschaft und Armut. Korruption ist verbreitet.
Wie viele Tausend Menschen sich an den Protesten beteiligten, war unklar. Am Nachmittag war es schwer, ein genaues Bild von der Lage zu bekommen. Das Internet wurde abgeschaltet – vermutlich, um neue Versammlungen zu erschweren. Mehrere Fernsehsender stellten den Betrieb ein.
Tokajew hatte in einer Ansprache mitgeteilt: «Die Situation bedroht die Sicherheit aller Bürger von Almaty. Das kann nicht toleriert werden.» Die Sicherheitskräfte würden «so hart wie möglich» vorgehen. Der Präsident kündigte zudem Reformen an. Konkret wurde er aber nicht.
Kasachstan wurde bis 2019 von Nasarbajew regiert. Auch nach seinem Abgang blieb der Langzeitherrscher einflussreich, etwa als Chef des Sicherheitsrates. Tokajew kündigte nun an, dass er diesen Posten übernommen habe. Es gab auch Spekulationen über einen Umsturz.