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Mehrheit dringend gesucht Was von der Richtungswahl in Spanien zu erwarten ist

Warum wird in Spanien schon wieder gewählt? Die sozialistische Regierung von Pedro Sánchez hatte nur 85 von 350 Sitzen im Parlament. Die Linkspartei Podemos, baskische und katalanische Nationalisten unterstützten sie. Als aber die Katalanen das Budget der Sozialisten ablehnten, wollte Sánchez mit Neuwahlen zu einer stärkeren Basis kommen.

Haben die Sozialisten Aussicht auf ein absolutes Mehr? Niemand kann davon ausgehen, allein regieren zu können. Die Sozialisten liegen aber in allen Umfragen vorn und können mit beträchtlichen Sitzgewinnen rechnen. Diese Gewinne machen sie zu einem guten Teil auf Kosten des linken Konkurrenten und bisherigen Bündnispartners Podemos. Das ergibt keine ausreichende Mehrheit. Sánchez wäre wieder auf die baskischen katalanischen Nationalisten angewiesen; auf eine Neuauflage eines Bündnisses, das nicht lange gehalten hat.

Pedro Sanchez
Legende: Spaniens Premier Sánchez kann mit der Neuwahl nicht auf eine stabilere Regierungsmehrheit hoffen. Keystone

Das rechte Lager bildet einen Block aus drei Parteien. Hat dieser bessere Chancen? Es sieht derzeit so aus, aber der Eindruck ist trügerisch. Die konservativen PP fahren derzeit eine scharfe Kurve nach rechts, auch die rechtsliberalen Ciudadanos umwerben das rechte Wählersegment. Und am äussersten rechten Flügel ist die Partei Vox aufgetaucht, die seit ihrem Wahlerfolg in Andalusien den andern den Takt vorgibt. Bisher sind die drei Parteien der stärkste Block, aber ohne zu einer Mehrheit zu kommen. Dazu kommt, dass laut Umfragen noch 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler unentschieden sind.

Vox ist neu im rechten Lager. Wofür steht diese Partei? Vox ist ein Rechtsableger der PP. Sie wurde vor fünf Jahren gegründet und feierte erst bei der andalusischen Regionalwahlen im letzten Dezember einen grossen Erfolg mit auf Anhieb zwölf Sitzen. Die Partei will etwa den Föderalismus Spaniens einschränken und durch einen starken Zentralismus ersetzen. Sie ist gegen Feminismus, gegen geschlechtsspezifische Politik, auch gegen Abtreibung. Vehement bekämpft sie die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien.

Katalonien scheint zum wichtigsten Thema dieses Wahlkampfs zu werden. Weshalb? Die Unabhängigkeits-Kampagne ist ein emotionales Thema, das mobilisiert. In Andalusien hat das funktioniert. Die Rechtsparteien kontern den katalanischen Separatismus mit ihrem spanischen Nationalismus. Wer mit den Separatisten redet, ist für sie ein Verräter, der das Wohl Spaniens aufs Spiel setzt. Das findet Anklang, aber nicht bei allen Die Zahl jener, die eine politische Lösung – also den Dialog – unterstützen, wächst – und offenbar auch in Katalonien. Dieser Streit hilft also auch den Sozialisten, die erste Dialogversuche unternommen haben.

Linke und Rechte werden kaum allein regieren können. Warum nicht zusammen? Der Wahlkampf lässt auf eine Spaltung der Gesellschaft schliessen, und die Parteien verstärken die Polarisierung bewusst. Von einer «Koalition der politischen Vernunft» zwischen Sozialisten und Ciudadanos ist immer wieder die Rede. Albert Rivera, Ciudadanos-Parteichef, lehnt das aber noch vehement ab. Nach den Wahlen zurückzurudern, würde ihm schwerfallen. Und zwischen Sozialisten und Vox oder PP sind die ideologischen Gräben unüberwindbar.

Spanien steht also vor einer Richtungswahl – links/rechts und für oder gegen Katalonien? Ohne Zweifel, man entscheidet sich für ein Lager, für eine politische Linie, die Schattierungen nur innerhalb des gleichen Lagers akzeptiert. Spanien braucht Zeit, um sich von der scharfen Konfrontation abzuwenden und sich auf eine Kompromiss-Demokratie einzulassen.

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