Die Hoffnung auf eine Trendwende blieb unerfüllt. Nach einem Jahrzehnt, in dem sich die globale Menschenrechtslage enorm verschlechtert hat, hoffte Amnesty International für 2022 auf eine Verbesserung - vergeblich.
Der Absturz, so heisst es im Jahresbericht, ging weiter. Besonders gravierend sei der russische Überfall auf die Ukraine, bei dem die Angreifer gezielt Zivilpersonen und die zivile Infrastruktur ins Visier nähmen und der zudem eine globale Nahrungsmittel- und Energiekrise zur Folge hatte.
Als dramatisch wird die Lage in Äthiopien bezeichnet – dem aktuell opferreichsten Konflikt weltweit. Auch in Mali, Myanmar, Jemen, Palästina oder Venezuela habe sich die Lage keineswegs verbessert.
In Iran oder in Russland hat sich die Lage sogar deutlich verschlechtert. Zudem missachte China nicht nur selber die Menschenrechte; es setze sich in der internationalen Diplomatie sogar aktiv dagegen ein, so Amnesty.
Kritik auch an Europa
Der Westen wiederum stelle sich oft blind und tue zu wenig, wenn seine Verbündeten, etwa Ägypten, Saudi-Arabien oder Israel, Menschenrechte systematisch verletzten.
Der russische Krieg gegen die Ukraine, so Amnesty International weiter, destabilisiere und blockiere zudem das multilaterale System mit der UNO im Zentrum.
Es würden finanzielle und politische Ressourcen umgelenkt und flössen so spärlicher in die Verteidigung der Menschenrechte, die Entwicklungspolitik oder den Kampf gegen den Klimawandel. Eine Rückkehr zu einer auf Regeln basierten Weltordnung wäre wichtig, zeichne sich aber nicht ab.
Gleichzeitig erlaubten die technologischen Fortschritte den Regierungen, die eigene Bevölkerung immer leichter zu überwachen und entsprechend zu gängeln.
Das Bild 75 Jahre, nachdem in Paris die internationale Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet wurde, ist ein tristes. Gemäss Amnesty International kann keine Rede davon sein, dass die Staaten geschlossen hinter den Menschenrechten stehen.
Und in die Schweiz?
In der Schweiz ist die Situation, gemäss dem Befund von Amnesty International, durchwachsen. Positiv gewertet wird die grosszügige Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Sie stehe jedoch im Gegensatz zur restriktiven Praxis bei anderen Flüchtlingsgruppen.
Die Lebensbedingungen in den Bundesasylzentren werden ebenso kritisiert wie aufgeschobene Reformen und Härte bei der Rückführung von Migranten.
Menschen anderer Hautfarbe und Nationalität würden bei polizeilichen Personenkontrollen mitunter diskriminiert. In diesem Zusammenhang zitiert wird der Bericht einer UNO-Expertengruppe, in dem von systemischem Rassismus die Rede ist.
Schliesslich kritisiert Amnesty die Tendenz zum Ausweiten der nachrichtendienstlichen Befugnisse in der Schweiz zulasten der Grundrechte.