In Washington treffen sich heute die Präsidenten der USA und Mexikos, Joe Biden und Andrés Manuel López Obrador. Mit den Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten steht es derzeit nicht zum Besten. Das ist alles andere als ideal. Denn die beiden Länder sind wirtschaftlich eng verbunden und etwa auch in Fragen der Migration auf die Zusammenarbeit angewiesen. Hans-Hartwig Blomeier, Leiter des Auslandsbüros der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, über ein Treffen auf höchster Ebene – in einer angespannten Situation.
SRF News: Mit welchen Erwartungen und Hoffnungen geht der mexikanische Präsident in das Treffen?
Hans-Hartwig Blomeier: Grundsätzlich ist der mexikanische Präsident optimistisch. Zumindest hat er das so bei seiner letzten morgendlichen Medienkonferenz geäussert. Er hoffe, mit positiven Resultaten wieder nach Hause zu fahren. Gemäss einer Umfrage sind 61 Prozent der Mexikanerinnen und Mexikaner ebenfalls optimistisch gestimmt. Ich frage mich allerdings, woher dieser Optimismus rührt. Denn die Erwartungen auf mexikanischer Seite sind enorm hoch – und kann mir nicht vorstellen, dass diesen Erwartungen von US-amerikanischer Seite entsprochen wird.
Die Chemie zwischen den beiden Staatsmännern stimmt nicht.
Beispielsweise möchte die mexikanische Regierung 300'000 Visa für Einwanderer in die USA von den Amerikanern bekommen. 150'000 davon für Mexikaner, 150'000 für andere Zentralamerikaner. Ich kann nicht erkennen, dass diesem Wunsch entsprochen wird.
Es steht also einiges auf dem Spiel. Und doch geht Obrador auf Konfrontationskurs gegenüber Biden. So hat er zum Beispiel vor einigen Wochen kurzfristig seine Teilnahme am Amerika-Gipfel in den USA abgesagt, ein diplomatischer Eklat. Was verspricht er sich davon?
Die Beziehungen zwischen Mexiko und den USA waren schon immer emotional geprägt und sie sind es bis heute. Der schöne Ausdruck «Tan lejos de Dios y tan cerca de los Estados Unidos» (dt. «So weit weg von Gott und so nah an den Vereinigten Staaten») hat nach wie vor Bestand. Es gibt allerdings mehrere Konfliktpunkte auf der Agenda, dazu gehört auch die Aussenpolitik. So etwa die Annäherung Mexikos an Kuba, mit der protokollarisch hoch aufgehängten Einladung des kubanischen Präsidenten Miguel Diaz-Canel zum letzten mexikanischen Nationalfeiertag.
Das sind Sticheleien und Provokationen. Was man sich davon verspricht, ist eher innenpolitisch begründet: Es sind Muskelspiele gegenüber dem grossen Nachbarn. Zum Eklat wird es kaum kommen. Zu stark und intensiv sind vor allem die wirtschaftspolitischen Verknüpfungen Mexikos zu den USA: Es exportiert 80 Prozent seiner Produkte in die USA und bezieht 50 Prozent seiner Importe von dort. Richtig ist aber: Die Chemie zwischen den beiden Staatsmännern stimmt nicht. Die war kurioserweise zwischen Obrador und Bidens Vorgänger Donald Trump besser.
Trump hat aber massiv Stimmung gegen Mexiko gemacht, Stichwort Mauerbau. Geht es da einfach um persönliche Sympathien?
Trumps Sticheleien waren ebenfalls innenpolitisch bedingt und eher an die eigene Klientel gerichtet. Letztlich sind sie miteinander klargekommen, weil sie ähnlich gestrickt sind. Beide sind Populisten mit leicht autoritären Zügen – da hat man sich gegenseitig respektiert. Bis heute spricht Trump von dem netten, sympathischen Sozialisten im Süden. Obrador spricht vom netten, sympathischen Kapitalisten im Norden.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.