Worum geht es? Auf der westlichsten Kanareninsel El Hierro sind allein am Freitag, 6. Oktober, mehr als 500 Flüchtlinge und Migranten aus Westafrika auf Booten angekommen. Seit Anfang Oktober sind es fast 2000. Auf El Hierro leben 11'000 Menschen – entsprechend schwierig ist es auf dem kleinen Eiland und den anderen Kanarischen Inseln, die Geflüchteten unterzubringen und zu betreuen. Einige spanische Medien sprechen bereits vom «spanischen Lampedusa».
Wie ist die Situation aktuell? Nicht nur El Hierro ist betroffen von den Ankünften der Migrantinnen und Migranten aus Westafrika, auch auf Teneriffa treffen immer wieder Boote ein. Zudem: «Auch wurden bereits viele Geflüchtete von El Hierro auf das grössere Teneriffa gebracht, das gar nicht mehr alle unterbringen konnte», sagt der auf Teneriffa lebende Lokaljournalist Johannes Bornewasser (Teneriffa News). Und so mussten dort kürzlich rund 200 Menschen am Hafen übernachten, weil es keine Unterkünfte gab für sie.
Warum so viele Ankünfte? Derzeit ist der Atlantik sehr ruhig, das ist wohl mit ein Grund, wieso gerade jetzt so viele Menschen die rund 1500 Kilometer lange Reise von Senegal aus auf die Kanaren unternehmen – «auch wenn das lebensgefährlich ist», so der Journalist. Gemäss der UNO-Migrationsorganisation IOM sind in der ersten Jahreshälfte 2023 gut 7000 Personen aus Westafrika auf den Kanaren angekommen. Hunderte sind bei der sehr gefährlichen Überfahrt mutmasslich ertrunken.
Was sagt die Lokalregierung? Der kanarische Regierungschef Fernando Clavijo warf der linken Zentralregierung in Madrid Tatenlosigkeit vor. «Wir sind fassungslos und perplex über das Schweigen einer spanischen Regierung, der die Ereignisse im Zusammenhang mit der Migration und der Druck, dem alle Kanaren ausgesetzt sind, anscheinend völlig egal sind», sagte der konservative Politiker.
Auf den Kanaren fühlt man sich von Madrid verschaukelt und komplett vergessen.
Welche Rolle spielt Madrid? Die spanische Regierung hatte vor rund einem Monat versprochen, den Kanaren in der schwierigen Situation zu helfen. Doch jetzt werden die Anrufe in spanischen Ministerien in Madrid offenbar gar nicht mehr beantwortet, wenn eine kanarische Nummer auf dem Telefon erscheint, wie Bornewasser die Situation beschreibt. «Auf den Kanaren fühlt man sich von Madrid verschaukelt und komplett vergessen.»
Warum tut die spanische Regierung nichts? «Wenn man die Ankömmlinge aus Afrika auf den Kanaren belässt, dann muss man sie nicht irgendwo auf dem spanischen Festland unterbringen», stellt Bornewasser fest. Die Kanaren seien weit weg von Madrid – und damit für die spanische Regierung auch das Problem der vielen Migranten. Deshalb befürchten die auf den Kanaren lebenden Menschen, dass viele der Migrantinnen und Migranten auf den Inseln bleiben werden. Das führe angesichts der grossen wirtschaftlichen Probleme vieler Kanaren zu Problemen wie mitunter Hass oder Rassismus, so der Journalist Bornewasser.