Er erwarte ein acht Monate langes Bewerbungsgespräch mit den britischen Wählern, stellte Oppositionsführer Ed Miliband vor dem Parteitag in Manchester fest. Es war vielleicht deshalb gar keine Rede, sondern ein frei gehaltenes Kaminfeuergespräch.
Der Intellektuelle Miliband ist von seinen Beratern in einen leutseligen Geschichtenerzähler verwandelt worden, der seine Einsichten allzu oft in den Mund von Lieschen Normalverbraucher legt, der er zufällig gestern über den Weg gelaufen ist. Die Metamorphose trug nicht zur Authentizität bei. Das schottische Unabhängigkeitsreferendum vom letzten Donnerstag schuf seine eigenen Gesetzmässigkeiten.
Kritik am Herz des zentralistischen Staates
Ein Land, das nahezu zerbrach, sei nicht gesund, sagte Miliband. Er nahm die Kritik der schottischen Separatisten, aber auch von englischen Wählern der antieuropäischen Ukip-Partei auf und machte sie sich zu Eigen: Westminster, das Herz des zentralistischen Staates, sei abgehoben und irrelevant.
Doch der Vorschlag des konservativen Premierministers Cameron, künftig die schottischen Unterhausabgeordneten von Entscheidungen über englische Politik auszuschließen, kam in dieser Rede nicht direkt vor. Denn er würde England unter Labour unregierbar machen. Wohl aber indirekt: Cameron ziehe die falschen Schlüsse aus dem Referendum. Ja, eine Verfassungsreform sei nötig, aber er spiele um parteipolitische Vorteile in England.
Neue Steuern für Reiche, Firmen und Steuerhinterzieher
Was wäre dann Labours Lösung? Subsidiarität. Mehr Kompetenzen für englische Kommunen. Das beantwortet die Frage indessen nicht, doch Miliband weiß, dass die Engländer kein eigenes Parlament wollen.
Deshalb beantwortete er eine andere Frage. Genauso in der Wirtschafts- und Sozialpolitik: Neue, löbliche Pläne sollen mit neuen Steuern für Villen, Tabakfirmen und Steuerhinterzieher bezahlt werden. Ein fiskalisches Nullsummenspiel also. Das lässt das laufende Defizit von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung unangetastet, weitere Kürzungen sind unvermeidlich.
Labour liegt in der Meinung der Briten immer noch hinter den Konservativen, wenn es um Wirtschaftskompetenz geht, und Miliband hinter Cameron als künftiger Premierminister. Daran dürfte sich heute wenig geändert haben.