Seit knapp einem halben Jahr ist Myanmar wieder eine Militärdiktatur. Die demokratisch gewählte Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde zur politischen Gefangenen. Seit Mitte Juni wird ihr vor einem Militärgericht der Prozess gemacht.
Doch Suu Kyi ist nur eine unter Tausenden von politischen Gefangenen. Die Gefängnisse im südostasiatischen Land sind voll mit Kritikerinnen und Kritikern der Regierung. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass ein enger Vertrauter der entmachteten Regierungschefin in Haft an den Folgen von Covid-19 gestorben ist.
Der Politiker war wenige Wochen nach dem Putsch vom 1. Februar festgenommen worden – wie viele andere Parteimitglieder der NLD auch. Suu Kyi sitzt weiter im Hausarrest.
Die Journalistin Verena Hölzl hat lange aus Myanmar berichtet. Seit dem Militärputsch beobachtet sie das Land von aussen. 5000 Menschen sollen dort aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen. «Insgesamt sind seit dem Putsch rund 7000 Menschen verhaftet und teilweise wieder freigelassen worden», sagt Hölzl. Die Zahlen stammen von der Assistance Association for Political Prisoners, einer burmesischen Menschenrechtsvereinigung, die sich seit Jahrzehnten für politische Gefangene in Myanmar einsetzt.
Platz schaffen in den Gefängnissen
Erst vergangenen Monat entliess das Regime rund 2000 Gefangene aus der Haft. Das Militär, das auch international stark in der Kritik steht, versuche mit der «Geste» auch, sich etwas vom anhaltenden Druck zu befreien, schätzt die Journalistin. «Zudem kann man sich gut vorstellen, dass die Militärjunta schlichtweg wieder Platz in den Gefängnissen schaffen muss.»
Selbstredend nimmt das Regime Menschen fest, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen – und damit verhindern wollen, dass das Land wieder in der Diktatur erstarrt, wie sie seit den 1960er Jahren herrschte.
Doch nicht nur Aktivistinnen, Oppositionelle oder Mitglieder der demokratisch gewählten Regierung müssen sich fürchten: «Teilweise trifft es auch völlig Unbeteiligte», berichtet Hölzl. «Wenn das Militär der Menschen nicht habhaft wird, die es eigentlich verhaften will, wird auch auf Verwandte zurückgegriffen. Das führt dazu, dass sogar Kinder im Gefängnis sitzen.»
Myanmar schwer von Corona getroffen
In einem dieser Gefängnisse in Yangon, der bevölkerungsreichsten Stadt Myanmars, soll es kürzlich einen Aufstand gegeben haben. «Von Anwohnern wissen wir, dass daraufhin Militärfahrzeuge auf das Gelände gefahren sind. Von da an wird die Situation unklar», sagt Hölzl. In der Vergangenheit seien vergleichbare Proteste aber jeweils brutal niedergeschlagen worden. «Das wird auch in diesem Fall vermutet.»
Auslöser des Protests soll die sich zuspitzende Corona-Situation in der Region gewesen sein, die auch das Gefängnis erreicht habe, so die deutsche Journalistin. Auch Suu Kyis verstorbener Weggefährte Nyan Win soll in dem berüchtigten Foltergefängnis Insein eingesessen haben, wie dessen behandelnde Ärztin erklärte: «Die Covid-19-Situation in Yangon ist sehr schlimm. Für alte Menschen in den Gefängnissen ist es besonders schlimm.»
«Das Militär will sich natürlich den Anschein geben, dass man die Situation im Land im Griff hat – dazu gehört auch die Pandemie», sagt Hölzl. Tatsächlich trägt es aber mitnichten zur Bewältigung der Pandemie bei. So seien Gesundheitspersonal und auch eine führende Epidemiologin verhaftet worden; zudem soll das Regime Sauerstoffflaschen zum Schutz der Militärangehörigen konfisziert haben.