Die Parlamentswahl gilt auch als Zwischenbewertung der konservativen Regierung von Präsident Yoon Suk Yeol und seiner Volksmacht-Partei PPP. Yoon ist seit 2022 im Amt und hofft bei den Wahlen mit seiner PPP die Mehrheit in der Nationalversammlung zu gewinnen. Dort verfügt derzeit die oppositionelle linksliberale Demokratische Partei (Minjoo) über eine Mehrheit.
Yoon führt einen harten Kurs gegenüber Nordkorea. Entsprechend haben sich die Beziehungen der beiden Länder in den vergangenen Jahren verschlechtert. Erst Anfangs Jahr hat Nordkorea Südkorea zum «Feind Nummer 1» erklärt. Offiziell gibt es zwischen den beiden Ländern nur einen Waffenstillstand, jedoch noch immer keinen Friedensvertrag.
«Zufälliger Krieg ist nicht ausgeschlossen»
Immer wieder kommt es zu militärischen Provokationen zwischen Nord- und Südkorea. Die nordkoreanischen Raketentests, Schüsse und Drohgebärden hätten vor allem innenpolitische Gründe, meint Militärexperte Choi Gi-Il an der Sangji Universität. Es gehe Nordkoreas Machthaber unter anderem darum, die Hardliner in der eigenen Armee zu besänftigen. Doch die Lage sei derzeit äusserst angespannt: «Obwohl ich vorsichtig bin, dies zu sagen – aber diese feindliche Situation zwischen Nordkorea und Südkorea könnte zu einer Eskalation in Form eines zufälligen regionalen Krieges führen, den weder Nordkorea noch Südkorea gewollt hätten.»
Wichtig sei daher für Südkorea nebst der militärischen Abschreckung auch der Dialog, so der Experte. Doch derzeit herrscht zwischen Nord- und Südkorea ein sehr rauer Ton. Erst vor kurzem liess Nordkorea unter anderem das Friedensdenkmal entfernen. Das zeigen Satellitenbilder. Das Denkmal wurde nach einem Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea im Jahr 2000 errichtet und galt als Symbol der Hoffnung auf Wiedervereinigung mit Südkorea.
Hoffnung auf Wiedervereinigung schwindet
Zwar würde gemäss Umfragen noch immer die Mehrheit der Südkoreanerinnen und Südkoreanern eine Wiedervereinigung mit Nordkorea begrüssen, doch gerade bei den jungen Leuten schwindet dieser Gedanke. Die meisten haben im Gegensatz zur älteren Generation auch keinen direkten Bezug oder enge Verwandte mehr in Nordkorea.
So geht es auch Kim Sang-Min. Der 20-Jährige unterbricht sein Wirtschaftsstudium, um im Juli in die Armee einzurücken. In Südkorea gilt für Männer die Wehrpflicht, dies nicht zuletzt wegen des anhaltenden Konflikts mit Nordkorea.
«Ich hege zwar keine grosse Feindseligkeit gegenüber Nordkorea. Aber wenn ich in den Nachrichten sehe, dass Nordkorea sehr provokativ oder aggressiv handelt, denke ich, dass Nordkorea gefährlich ist; und die beiden Koreas stehen in gewisser Weise in einer feindseligen Beziehung», meint der 20-Jährige.
Er lebt zusammen mit weiteren Uni-Kollegen in einer Wohngemeinschaft in Seoul. Das Leben hier werde er vermissen, so Kim. Über den bevorstehenden Militärdienst ist Kim nicht begeistert, aber es sei seine Pflicht. Trotz aller Skepsis gibt er sich zuversichtlich: «Ich hoffe, nachdem wir alle unseren Dienst geleistet haben, klopfen wir uns gegenseitig auf die Schulter und sagen: ‹Kollegen, gute Arbeit geleistet beim Militär›. Dann können wir uns hoffentlich auf unsere berufliche Zukunft vorbereiten.» Kim und seine Kollegen in der Wohngemeinschaft möchten ein ganz normales, friedliches Leben führen.