Vor einem Monat hat sich das Militär in Burma an die Macht geputscht und Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Die 75-Jährige führte bis dahin die Regierungsgeschäfte. Nach dem Putsch wurde Aung San Suu Kyi angeklagt, gegen das Import-Export-Gesetz sowie gegen das Katastrophenschutzgesetz verstossen zu haben.
Vorwurf: «Verbreitung von Angst»
Nun hat die Justiz in Burma gegen Aung San Suu Kyi neue Vorwürfe erhoben. So soll sie auch ohne Berechtigung lizenzpflichtige Kommunikationsgeräte besessen und benutzt haben. Zum habe sie ein altes Kolonialgesetz verletzt, indem sie mit Informationen Angst verbreitet habe.
Der 75-Jährigen, die an der gestrigen Gerichtsanhörung per Videoschaltung teilgenommen hatte, drohen damit weitere Jahre im Gefängnis. Die ersten beiden Klagen betrafen einen Verstoss gegen das Import-Export-Gesetz wegen des illegalen Besitzes von sechs Walkie-Talkies sowie die Missachtungen von Corona-Regeln gemäss Katastrophenschutzgesetz.
Offenbar noch kein Anwalt zugelassen
Ob sich Aung San Suu Kyi vor Gericht geäussert habe, wisse man nicht genau, denn die Anhörung sei nicht öffentlich gewesen, erklärt Südostasien-Korrespondentin Karin Wenger: Sie konnte vor Gericht nicht von einem Anwalt vertreten werden. Einer ihrer Anwälte, Min Min Soe, sagte später, er habe Aung San Suu Kyi auf dem Video gesehen. Sie habe gesund gewirkt und nach einem Anwalt verlangt. Der Richter habe jedoch lediglich gesagt, er arbeite daran.
Seit sie am Tag des Putsches vor einem Monat verhaftet wurde, wurde Aung San Suu Kyi nicht mehr öffentlich gesehen. Sie ist zweifelsohne und bis heute die grösste Rivalin von Armeechef und Putschgeneral Min Aung Hlaing. Mit den Anklagen wollten die Militärs Aung San Suu Kyi ganz klar wegsperren und unschädlich machen, stellt Wenger fest.
Mit den Anklagen wollten die Militärs Aung San Suu Kyi erneut wegsperren.
Aung San Suu Kyi ist seit 1988 die Anführerin der Demokratiebewegung. Sie hat die Partei NLD (Nationale Liga für Demokratie), die auch die Wahlen im November gewonnen hat, angeführt oder führt sie immer noch an. Sie wird im ganzen Land immer noch als National-Ikone verehrt. Das wissen die Generäle. Deshalb haben sie Aung San Suu Kyi auch in der Vergangenheit bereits mehr als 15 Jahre unter Hausarrest gesetzt.
Jetzt hoffen sie anscheinend, dass sie auch die landesweiten Massenbewegungen stoppen können, indem sie eben die Anführerin wieder ins Gefängnis stecken.
Weitere Anklagen sind möglich
Der nächste Gerichtstermin im Falle von Aung San Suu Kyi wurde auf den 15. März gelegt. Es kann gut sein – oder ist gar sehr wahrscheinlich –, dass dann weitere Anklagen dazukommen, schätzt Wenger: «In einem Land, in dem sich die Lage täglich ändert, ist die Monatsmitte noch weit weg. Bis dahin kann noch sehr viel passieren.»
Gestern hat Armeechef Min Aung Hlaing bereits angekündigt, er werde gegen Beamte vorgehen, die sich weigerten, für die Junta zu arbeiten. Es scheint nicht so, als ob die Generäle jetzt einfach klein beigeben würden, sondern dass sie mit allen Mitteln an ihrer neu erzwungenen Macht festhalten wollen.