Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) setzt die Ukraine im Krieg Schmetterlingsminen ein – Minen, die sich gegen Menschen richten. Und dies, obwohl die Ukraine ein internationales Abkommen unterzeichnet hat, das deren Einsatz verbietet. Die Ukraine hat bisher nicht auf die Vorwürfe reagiert. Daniel Suda-Lang erklärt, wieso die Minen so gefährlich sind und welche Folgen der Ukraine bevorstehen könnten. Er ist Geschäftsleiter bei Handicap International Schweiz. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich seit Jahrzehnten gegen Minen ein.
SRF News: Was ist das Spezielle an diesen Schmetterlingsminen?
Daniel Suda-Lang: Schmetterlingsminen sind kleine Minen, die in grosser Zahl abgeworfen werden. Sie werden wegen ihrer Schmetterlingsform oft nicht als Minen erkannt. Zum Beispiel von Kindern werden sie oft als Spielzeug identifiziert, die sie aufheben und Opfer einer Explosion werden. Die grünen Minen sind schwierig zu erkennen, und gehen zum Beispiel in einem Gebüsch unter.
Laut Human Rights Watch soll die Ukraine Antipersonenminen eingesetzt haben – obwohl die Ukraine 1999 ein internationales Abkommen unterzeichnet hat. Zeigt das letztlich, dass solche Abkommen keine grosse Wirkung haben?
Die russische Armee hat schon seit den ersten Kriegstagen im Februar 2022 intensiv illegale Waffen wie Landminen und Streumunition eingesetzt. Und jetzt publiziert HRW diesen Rapport, der von einem angeblichen Einsatz von Antipersonenminen durch ukrainische Streitkräfte berichtet.
Wir erwarten von den ukrainischen Behörden, dass sie diese Informationen gründlich untersuchen.
Wegen der Unterzeichnung des Ottawa-Abkommens ist der Ukraine jegliche Verwendung von Antipersonenminen stark verboten. Daher erwarten wir als Handicap International von den ukrainischen Behörden, dass sie diese Informationen gründlich untersuchen. Sollte sich bestätigen, dass die Ukraine Antipersonenminen benutzt hat, wäre das ein Verstoss gegen das Minenverbotsabkommen.
Wie kann die Ukraine zur Verantwortung gezogen werden, wenn sich das alles auf internationaler Ebene erhärtet?
Wir müssen das Ende des Konflikts abwarten, bevor irgendetwas von der internationalen Gemeinschaft gemacht werden kann. Im Rahmen des Ottawa-Abkommens gibt es einen Überwachungsmechanismus für die Mitgliedsstaaten mit regelmässigen Treffen. Während diesem Treffen würde die Ukraine aufgefordert, genauere Informationen zu liefern. Die Ukraine als Vertragsstaat wäre dann verpflichtet, diese Informationen zu liefern. Dann können auch Sanktionen angewendet werden.
Würden Sie der Ukraine in Zukunft weniger helfen, falls sie selbst auch Minen eingesetzt hat?
Das ist ein Präzedenzfall für uns. Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Unterzeichnerstaat den Ottawa-Vertrag missachtet hat. Aber unsere Organisation ist immer dort, wo die Menschen uns am meisten brauchen. In der Ukraine ist ein Team von über 100 Menschen aktiv, wo wir vor allem ältere und kranke Menschen unterstützen, Menschen mit Behinderung, auch Minenopfer.
Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Unterzeichnerstaat den Ottawa-Vertrag missachtet hat.
Wir werden bestimmt vor Ort sein, um die betroffene Bevölkerung zu unterstützen. Wir machen da keinen Filter rein, ob der Staat dieses Abkommen berücksichtigt hat oder nicht.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.