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Ministerwechsel in Österreich Gesundheitsminister tritt zurück: Anschober ist ausgepowert

Mit persönlichen und offenen Worten hat Rudolf Anschober seinen Rückzug erklärt. Er müsse die Notbremse ziehen.

In gestreamten Sprechstunden hatte Rudolf Anschober die Menschen zu Beginn der Pandemie informiert und Fragen beantwortet. Stets ruhig und bemüht um Dialog. Als er Anfang 2020 eines von vier grünen Regierungsmitgliedern wurde, hatte er schon viel Exekutiv-Erfahrung, war geübt, politisch zu kämpfen.

In Oberösterreich war er für Integration zuständig, in einer bürgerlich-rechtsnationalen Regierung. Er gewann mit seiner Initiative «Ausbildung statt Abschiebung» selbst rechte Unternehmer für sich – gegenüber Radio SRF sagte er vor gut zwei Jahren: «Ich mag es einfach, wenn man nicht nur am Schreibtisch sitzt, sondern mit den Betroffenen zusammenarbeiten und Allianzen schmieden kann. Das ist schön und ist in einem überschaubaren Bereich noch möglich.»

Morddrohungen und Polizeischutz

Überschaubar war es auf Bundesebene natürlich weniger. Aber erst die Pandemie machte aus dem qualifizierten Sozialminister einen Gesundheitsminister. Mit der zweiten Corona-Welle hätte sich die Gesellschaft gespalten und die Aggressivität zugenommen, so Anschober am Dienstagmorgen: «Ich habe das daran gemerkt, dass Morddrohungen gekommen sind. Ich habe es daran gemerkt, dass ich seit November unter Polizeischutz gewesen bin und dass auch mir nahestehende Personen bedroht wurden.»

Ich habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet. Es hat keinen einzigen wirklich freien, völlig entspannten Tag gegeben.
Autor: Rudolf Anschober

Das habe Wichtiges verunmöglicht, fährt er fort, «nämlich das ganz unbefangene Gespräch in der U-Bahn, auf der Strasse, in der ÖBB, wo auch immer. Das war davor für mich eine wirkliche Energiequelle.» Fast 15 Monate, gefühlt wie 15 Jahre seien das gewesen: «Ich habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet. Es hat keinen einzigen wirklich freien, völlig entspannten Tag gegeben. Und ich habe mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet.»

Tinnitus und Kreislaufkollapse

Steigender Blutdruck, beginnender Tinnitus, zuletzt zwei Kreislaufkollapse. Da dampfte die Gerüchteküche – er hätte, wie schon vor neun Jahren – ein Burnout, zu dem er offen stand. «Das, was ich jetzt spüre, wo mir ein Teil der Kraft ausgegangen ist. Das ist kein Burnout. Ich weiss ganz genau, wie sich ein Burnout anfühlt. Bei einem Burnout würde ich nicht hier stehen.»

Ganz klar formuliert: Ich will mich auch nicht kaputt machen.
Autor: Rudolf Anschober

Er sei einfach ausgepowert und müsse die Notbremse ziehen: «Ganz klar formuliert: Ich will mich auch nicht kaputt machen.» Rudolf Anschober war zeitweise beliebter als der Kanzler, doch beim Managen der Pandemie lief vieles schief und es unterliefen rechtliche Fehler.

Dabei war die Zusammenarbeit mit Kanzler Sebastin Kurz sichtbar schwierig. Anschober erwähnte sie bei der Medienkonferenz nur indirekt: «Ich verrate nicht zu viel, ich sage aber auch nicht mehr. Da sind erhebliche Mühen entstanden, um diesen Konsens zwischen Verantwortung und Zeitdruck zu schaffen. In manchen Bereichen ist durchaus auch ein Schuss Populismus und Parteitaktik spürbar gewesen.»

Und so betonen politische Beobachter, was bei der Rücktrittsrede fehlte: jeglicher Dank an den Kanzler und Regierungspartner. Aber Anschober schwieg eben auch über die politischen Fouls von dieser Seite. Gut möglich, dass sie später nachzulesen sein werden.

«Irgendwann möchte ich meinen Traum umsetzen, meinen ersten politischen Roman zu schreiben. Und vielleicht gibt es da in den Erfahrungen der letzten Monate die eine oder andere Inspirationsquelle.» Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist dann – selbstverständlich – rein zufällig.

Echo der Zeit, 13.4.2021, 18 Uhr

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