Kaum erstaunlich ist, dass vor allem Mitglieder der Opposition Boris Johnsons baldiges Ende als Premier sehen, oder gar offen seinen Rücktritt fordern. Oppositionsführer Keir Starmer äusserte, die britische Öffentlichkeit habe genug von einem Premierminister, der viel verspreche, aber niemals diese Versprechen halte. Der Labour-Chef versprach auf Twitter, dass seine Partei Grossbritannien zurück auf die Schienen bringen werde.
Ian Blackford von der Schottischen National Party schreibt explizit, dass Boris Johnson ein «Ex-Premierminister» sein solle, denn er habe den Rückhalt der Menschen nicht mehr.
Aber auch aus den eigenen Reihen gibt es geharnischte Reaktionen. So äusserte sich – bereits am Montagmorgen – Jesse Norman, der von 2019 bis 2021 Staatssekretär im Finanzministerium war und somit langjähriger Weggefährte von Johnson, dass er ihn nicht mehr unterstützen könne. Dies begründete er unter anderem damit, dass der Premier die Einheit seines Landes gefährde.
Am Dienstagmorgen tweetete der konservative Abgeordnete Andrew Bridgen, Boris Johnson solle «jetzt in Ehren gehen».
Kurz zuvor hatte Bridgen ebenfalls auf Twitter einen Beitrag des ehemaligen konservativen Parteichefs und Aussenministers Lord William Hague geteilt, der Johnson ebenfalls den Rücktritt empfahl, denn der Premier habe eine grössere Niederlage erlebt als je zuvor einer seiner Vorgänger.
Tief in seinem Inneren sollte er das erkennen und sich darauf besinnen, auf eine Weise auszusteigen, die Partei und Land solche Qualen und Ungewissheiten erspart.
Johnson habe das Votum am Montagabend zwar gewonnen, doch der Schaden am Amt des Premierministers sei gross, so Hague in der «Times». Und weiter: «Tief in seinem Inneren sollte er das erkennen und sich darauf besinnen, auf eine Weise auszusteigen, die Partei und Land solche Qualen und Ungewissheiten erspart.»
Weggefährten wollen vorwärts schauen
Ein weiteres Misstrauensvotum ist nach den geltenden Regeln der britischen Konservativen nun für einen Zeitraum von zwölf Monaten ausgeschlossen. Johnson-Vertraute forderten daher, jetzt müsse ein Schlussstrich unter die Kritik an der Führungsrolle des Premiers gezogen werden.
«Ich denke, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass wir nur in der Lage sind zu liefern, wenn wir vereint sind», sagte Bildungsminister Nadhim Zahawi dem Sender Sky News nach der Abstimmung. Es sei nun Zeit, nach vorne zu schauen und sich Themen wie etwa der Wirtschaft und der stark steigenden Inflation widmen zu können.
Wir sind auf der Seite der hart arbeitenden Briten, und wir werden uns an die Arbeit machen.
Johnson selbst sagte am Dienstagmorgen vor der Kabinettssitzung, dass er sich gleichentags mit seinen hochrangigen Ministern treffen werde. Gleichzeitig versprach er, mit der Arbeit fortzufahren. «Dies ist eine Regierung, die das umsetzt, was den Menschen in diesem Land am wichtigsten ist», sagte Johnson in einer Erklärung, die von seinem Büro vor der Kabinettssitzung veröffentlicht wurde.
«Wir sind auf der Seite der hart arbeitenden Briten, und wir werden uns an die Arbeit machen.» Er werde das Treffen nutzen, um seine Pläne für die kommenden Wochen darzulegen. Dabei gehe es unter anderem um eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Polizeiarbeit sowie um neue Richtlinien zur Senkung der Kosten für die Kinderbetreuung.