Die grassierende Korruption im Libanon ist Thema so mancher Diskussionen. Nun haben sich Spieleentwickler aus Beirut dem Thema angenommen.
Sie haben ein politisches Brettspiel entwickelt, das die Korruption zum Thema hat. Ziel des Spieles ist es, Präsident des Landes zu werden, redlich oder unredlich.
Plötzlich wird ein Bezirk gestohlen
Es ist spätabends in der beliebten Ausgangsmeile Gemmayzeh in Beirut. Die Häuser hier sind noch immer gezeichnet von der Hafenexplosion vor bald drei Jahren.
Trotzdem: Die Laune lassen sich die Libanesen und Libanesinnen nicht verderben. In einer verrauchten Bar sitzt eine Gruppe junger Männer angespannt über einen Salontisch gebeugt. Der Aschenbecher zeugt davon, dass sie schon länger hier sitzen. In ihrer Mitte, auf dem Tisch ist die Landkarte Libanons ausgebreitet, mit den verschiedenen Wahlbezirken.
Plötzlich geht ein Aufschrei durch die Runde. Ein Bezirk wurde von einem der Mitstreiter gestohlen. Ähnlich einem Richter schlägt einer der Männer mit einem Holzhammer auf den Tisch und fordert die Gruppe auf, Ruhe zu bewahren.
Es ist zwecklos! Eine hitzige Diskussion ist entfacht. Er wird heftig debattiert, doch so ernst gehe es bei ihnen nur im Spiel zu und her, scherzt der Mann mit dem Hammer in der Hand: «Brettspiele sind halt unsere Leidenschaft», sagt Jean-Michel Chemaly, der das Brettspiel Machrou Rais mitentwickelt hat.
«Übersetzt heisst das Spiel, Projekt Präsident, doch im libanesischen Slang bedeutet es: Du hast das Potenzial, Präsident zu werden», erklärt Chemaly.
Die Korrupten spielen sich die Bälle zu
Das ist im Libanon nicht unbedingt ein Kompliment. Denn die politische Elite gilt als hochkorrupt. Zur Präsidentschaft schafft es nur, wer seine Karten richtig spielt.
So sei es auch im Spiel, sagt Chemaly: «Du bist entweder im Lager der Aktivisten oder im Lager der korrupten Elite. Ziel der Aktivisten ist es, die korrupten Mitspieler zu identifizieren und zu entmachten. Ziel der Elite: sich möglichst unentdeckt weiter zu bereichern. Halt so, wie in der libanesischen Politik auch», sagt Jean-Michel Chemaly lächelnd.
In der Bar geht das Spiel in eine neue Runde, der Aschenbecher quillt über, neue Allianzen werden geschmiedet, andere brechen auseinander. Wer von den Mitspielern ist korrupt, wer nicht, diese Frage stellen sich die Aktivisten am Tisch. Die korrupten Spieler wissen voneinander und spielen sich gegenseitig die Bälle zu.
Was ist Wahrheit, was ist Lüge?
Die Idee zum Spiel kam Chemaly während der Protestbewegung im Libanon 2019, als Hunderttausende Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Korruption im Land auf die Strasse gingen.
«Die Leute hatten einfach genug, schon damals. Sie fühlten sich von der Politik verraten. Genau dieses Gefühl wollten wir aufnehmen und zeigen, welches Spiel die Politiker mit uns trieben», sagt Chemaly. Ein Spiel, in dem man Wahrheit und Lüge kaum noch unterscheiden kann. «Am Schluss bist du ratlos und weisst nicht, wem du noch vertrauen kannst, sagt der Spieleentwickler.
Die Leute hatten einfach genug.
Derweil hat das Spiel in der Bar in Gemmayzeh seinen Lauf genommen. Die Aktivisten haben es nicht geschafft, die korrupten Spieler zu identifizieren und sind Koalitionen mit ihnen eingegangen. Es ist die korrupte Elite, die das Spiel um die Präsidentschaft gewinnt.
Wer in Tat und Wahrheit der neue Präsident Libanons wird, steht noch in den Sternen.