Twitter entlässt die Hälfte seiner Angestellten. Davon betroffen ist auch die Moderation. Es wird also weniger stark kontrolliert, welche Inhalte verbreitet werden. Dieser Entscheid fällt kurz vor den Zwischenwahlen in den USA. Der Abbau der Moderation habe vor allem eine Signalwirkung. Warum dieses Signal gefährlich sein kann, erklärt Klaus Kamps. Er forscht zu öffentlicher Kommunikation in den USA.
SRF News: Was heisst das, wenn die Beiträge nicht mehr so stark moderiert werden?
Klaus Kamps: Es könnten Leute dazu angeregt werden, es immer wieder mit Manipulationen und Falschmeldungen zu versuchen. Denn selbst beim gröbsten Unsinn bleibt gelegentlich etwas hängen. Und wir kennen entsprechende Wellen von Falschmeldungen mit Blick auf bestimmte Termine, wie zum Beispiel die US-Zwischenwahlen. Solche können kurzfristig anschwellen.
Welchen Einfluss könnte es auf die sogenannten Midterms haben, dass in der Moderation von Twitter Stellen abgebaut wurden?
Insgesamt betrachtet wahrscheinlich eher wenig. Es werden Tausende von Kandidierenden auf Landes- und Bundesebene gewählt. Es sind Persönlichkeitswahlen, keine Parteienwahlen. Allerdings kann es im einen oder anderen Fall durchaus vorkommen, dass eine solche Falschmeldung einen kleinen Umschwung in einen Bezirk mitbringen könnte. Aber insgesamt sollten wenige konkrete Auswirkungen absehbar sein.
Welche Bedeutung hat es denn, dass auf Twitter die Beiträge moderiert werden?
Das ist so eine Art Flagge, dass hier nicht alles geht. Wenn man das dann zurücknimmt, wird die Flagge auf halbmast gezogen. Man sagt, hier geht wieder ein bisschen mehr. Das Signal, zu sagen, man schaut nicht mehr ganz gut hin, ist in gewisser Hinsicht gefährlich.
Zu sagen, man schaut nicht mehr ganz gut hin, ist in gewisser Hinsicht gefährlich.
Auch in einzelnen Meldungen von Musk spielt gelegentlich das Motiv des mehr Meinungsfreiheit zuzulassen eine deutliche Rolle. Insofern signalisiert er schon, dass hier mehr zugelassen wird. In den USA steht auch sehr viel stärker als in Europa im Vordergrund, dass man hinter der Meinungsfreiheit auch immer die Freiheit sieht, anderen Leute beim Unsinn zuzusehen, zuzuhören. Nach dem Motto: Ein Politiker, der Unsinn redet, sollte nicht zum Schweigen verpflichtet werden. Weil dann andere nicht sehen, dass das ein Politiker ist, der Unsinn redet.
Warum wird über den Abbau so stark diskutiert?
Das liegt am Signal, dass eine andere Kommunikationskultur ein Stück weit wieder zugelassen wird. Das Signal hat Elon Musk selber direkt unterstrichen: Zwei Stunden nachdem er Twitter übernommen hatte, verlinkte er eine Verschwörungstheorie. Diese nahm er drei Stunden später wieder runter. Die Sache ist dennoch im Raum. Wenn die Moderation eingeschränkt wird, dann ist das ein ziemlich deutliches Signal in eine Richtung: Hier ist wieder mehr erlaubt.
Das Gespräch führte Claudia Weber.