Mehr als 60 Jahre nach der Ermordung von John F. Kennedy kommt wieder Bewegung in die Diskussion darum, wer den damaligen US-Präsidenten getötet hat.
Die US-Regierung hat bisher unter Verschluss gehaltene Akten im Zusammenhang mit dem Mord vom 22. November 1963 in Dallas/Texas veröffentlicht.
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Dabei handelt es sich um rund 80'000 Seiten, die sich im weitesten Sinn mit dem Attentat befassen.
Offiziell ein Einzeltäter: Lee Harvey Oswald
Laut den offiziellen Untersuchungen hat Lee Harvey Oswald Kennedy ermordet. Oswald schoss demnach aus dem fünften Stock eines Schulbuch-Lagers mit einem Gewehr dreimal auf Kennedy, als dessen Corso vorbeifuhr.
Der erste Schuss ging daneben, die beiden anderen trafen den US-Präsidenten tödlich. Oswald selber wurde wenige Stunden nach dem Attentat gefasst, aber nur wenig später ebenfalls erschossen – von der zwielichtigen Figur Jack Ruby, einem Nachtclubbesitzer aus Dallas.
Dies wiederum beförderte Spekulationen, dass es eine Verschwörung gegeben haben könnte, möglicherweise mit Beteiligung der CIA. Ruby starb ein paar Jahre später, 1967, an Lungenkrebs.
Und so blühen rund um den Mord an Kennedy bis heute die Verschwörungstheorien. Eine besagt, Kennedy sei von der CIA ermordet worden, weil er geheime Geheimdienstakten zu UFOs habe veröffentlichen wollen.
Viele Sachen sind kaum lesbar – man könnte jetzt Monate und Jahre damit verbringen, das alles zu entziffern.
Die wohl populärste Verschwörungstheorie lautet aber, dass der US-Präsident von der Mafia erschossen wurde, weil er das FBI härter gegen die Gangster hatte vorgehen lassen.
Jetzt erhofft man sich von den freigegebenen Akten endlich Licht ins Dunkel.
Ein Berg an Akten – völlig unübersichtlich
Allerdings: Bei den zehntausenden Seiten handle es sich vielfach um Nebenschauplätze, sagt Andreas Etges. Der Historiker ist Spezialist, was die Akten zum Attentat an JFK angeht. Er lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
So gehe es etwa um Briefe von irgendwelchen Leuten, die sagten, sie hätten Informationen. Oder um Informationen über antikubanische Aktionen der CIA. Oder um Vietnam, wo die CIA wenige Wochen vor dem Mord an JFK an einem Coup beteiligt war.
Man wird auch mit den neuen Dokumenten kaum zweifelsfrei belegen können, wer für das Attentat verantwortlich war.
«Viele Sachen sind kaum lesbar – schlechte Kopien von Faxen etwa. Man könnte jetzt Monate und Jahre damit verbringen, das alles zu entziffern», so Etges. Das US-Nationalarchiv habe einfach alles auf den Server geladen, was noch da war an Akten – ungeordnet und ohne Hierarchie.
«Es werden jetzt einfach tausende Seiten hingeworfen, und man kann suchen, ob man darin etwas findet», sagt der Historiker. Man müsse nun zuerst abwarten und schauen, welche Dokumente allenfalls interessant seien.
Zweifelsfreie Sicherheit unwahrscheinlich
Und: «Man wird auch mit den neuen Dokumenten kaum zweifelsfrei belegen können, wer für das Attentat verantwortlich war», glaubt Etges.
Es seien bei den Untersuchungen des Attentats schlicht viel zu viele Fehler gemacht worden. «So hatten etwa FBI und CIA kein Interesse daran, voll zu kooperieren – weil sie in illegale Aktionen verstrickt waren, die aber keinen Zusammenhang mit der Ermordung von JFK hatten.»
Ausserdem wisse man seit Längerem, dass Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson die Wahrheit gar nicht wissen wollte – aus Angst vor den möglichen Folgen, falls tatsächlich die Sowjets oder Kuba für den Mord verantwortlich waren. Und das wiederum habe zu weiteren Verschwörungstheorien geführt.
Und so bleibt abzuwarten, wie gross der Erkenntnisgewinn der neuen Akten sein wird.