Beim Gefangenenaustausch zwischen westlichen Staaten und Russland sowie Belarus sind politische Gefangene, die in den beiden Ländern unter fadenscheinigen Begründungen zu jahrelangen Lagerhaftstrafen verurteilt worden waren, freigekommen. Ausgetauscht wurden sie gegen verurteilte Mörder und kriminelle Russen. Dieser Vorgang veranschauliche, was es bedeute, wenn ein Staat wie eine Verbrecherbande handle, sagt die freie Journalistin Inna Hartwich in Moskau.
SRF News: Wie sind die Reaktionen des Kremls auf den Gefangenenaustausch?
Inna Hartwich: Es herrscht grösste Freude. Putin hat den Mördern, Spionen und Cyberkriminellen den roten Teppich ausgerollt und sie persönlich auf dem Flugfeld empfangen. Das Ganze wurde live am Fernsehen übertragen und zelebriert.
Putin empfing die Männer wie alte Kumpels und dankte ihnen für ihre Eidestreue und Pflichterfüllung.
Den Frauen übergab Putin Blumen, die Männer wurden von ihm zum Teil geherzt. Er empfing sie wie alte Kumpels und dankte ihnen für ihre Eidestreue und Pflichterfüllung. Die aus russischer Haft entlassenen Westler, Doppelbürger und Russen andererseits werden als Feinde und Verräter verunglimpft.
Deutschland hat den verurteilten Mörder Wadim Krassikow freigelassen. Ebenfalls frei kamen mehrere mutmassliche russische Spione. Wie wichtig war es dem Kreml, diese Leute zurückzubekommen?
Putin ist die Botschaft nach innen wichtig: Wir setzen uns ein für unsere Leute. Putin schätzt Loyalität, deshalb wollte er die Leute aus den westlichen Gefängnissen herausholen.
Putins Signal: Wenn ihr solche Sachen für uns macht und etwas geht schief, dann holen wir euch nach Hause.
Beim Tiergartenmörder Krassikow muss man auch davon ausgehen, dass dieser viel weiss, das nicht ins Ausland gehört. Der russische Machthaber hat das Signal gesendet: Wenn ihr solche Sachen für uns macht und etwas geht schief, dann holen wir euch nach Hause.
Russland bekommt Schwerkriminelle zurück – und lässt im Gegenzug Menschen frei, die mit fadenscheinigen Vorwürfen verurteilt worden sind. Was steckt da dahinter?
Das ist kein gutes Zeichen für jene Menschen, die sich in Russland gegen das Regime einsetzen – und für Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit oder Ausländer. Letztendlich zeigt die Episode, dass ein Staat wie eine Verbrecherbande handelt.
Der Austausch verdeutlicht die Kaltblütigkeit, mit der das russische Regime Politik betreibt.
Es gibt keinen Rechtsstaat. Vielmehr werden Geiseln genommen, um jene freizupressen, die für den Staat wichtig sind. Der Vorgang verdeutlicht auch die Kaltblütigkeit, mit der das russische Regime Politik betreibt. Und die Tatsache, dass in Russland gefangene Personen freigekommen sind, die womöglich kurzum in der Lagerhaft gestorben wären, zeigt, dass der Kreml letztlich auf eine perfide Art Menschenhandel betreibt.
Was bedeutet das?
Es ist auch für uns in Europa kein gutes Zeichen. Moskau hat mit dieser Freipressung ein Signal an den Killer Krassikow gesendet. Und es gibt in Russland sicher andere Leute, die sehr loyal sind zum Kreml und bereit sind, in Europa oder im Westen Dinge zu machen, die mit rechtsstaatlichen Standards nichts zu tun haben – im Wissen darum, dass sie im Notfall vom Kreml herausgehauen werden.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.