Die Nato rechne bald mit konkreten Zusagen für Luftverteidigungswaffen für die Ukraine. Das erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Sondertreffen der Allianz im April. Auf die Frage, was er mit «bald» meine, sagte er: «In den kommenden Tagen».
Seither ist fast ein Monat verstrichen. Und noch immer fehlen feste Zusagen, geschweige denn konkrete Lieferungen. Eine Ausnahme ist Deutschland, das der Ukraine immerhin eine zusätzliche Patriot-Raketenabwehrbatterie liefert.
Soll die Ukraine überleben, braucht sie unverzüglich mehr Munition, mehr Waffen, mehr Feuerkraft.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski dankte dafür dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz fast überschwänglich. Gleichzeitig fordert er inzwischen bei praktisch jedem Auftritt und zunehmend verzweifelter mehr Luftabwehrmittel: «Sie sind unverzichtbar zur Stabilisierung der ukrainischen Front.»
Erforderlich wären Systeme wie Iris-T, Nasams oder Samp-T. Und allen voran das wirksamste, das amerikanische Patriot-System. Es hat eine grosse Reichweite und funktioniert gegen ballistische Raketen, Marschflugkörper und Kampfflugzeuge. Von jeder Startrampe aus lassen sich gleichzeitig mehrere Attacken abwehren.
Doch Patriot-Systeme sind teuer und aufwändig herzustellen. Eine Batterie kostet rund eine Milliarde, eine einzige Rakete schon eine Million Dollar. Zwar fahren die beiden US-Hersteller von Patriot-Raketen, Lockheed-Martin und Raytheon, nun die Produktion hoch. Doch das geht viel zu langsam, gemessen an den in vielen Ländern wachsenden Bedürfnissen.
Nirgends jedoch ist die Notlage aktuell so gravierend wie in der Ukraine. Dennoch zögern die ukrainischen Verbündeten. Der langjährige CIA-Mann Paul Pillar erklärt gegenüber SRF das Zaudern so: «Die meisten Nato-Länder schrecken nach wie vor davor zurück, den russischen Bären zu reizen. Und zwar selbst dann, wenn sie mit dieser Strategie die Existenz der Ukraine gefährden.» Pillar ist heute Professor an der Universität Georgetown in Washington.
Der britische Ex-General und heutige Berater für Verteidigungsfragen, Sir Richard Barrons, betont: «Soll die Ukraine überleben, braucht sie unverzüglich mehr Munition, mehr Waffen, mehr Feuerkraft.» Das Problem sei nicht die Realisierbarkeit, das Problem sei der fehlende politische Wille.
Allerdings sind Patriot-Batterien tatsächlich weltweit knapp. Neue können kaum rechtzeitig für die Ukraine produziert werden. Hingegen könnten Länder, die bereits welche haben, Patriot-Systeme vorübergehend abtreten.
Dies gilt aber gewiss nicht in erster Linie für Taiwan oder Israel. Für sie ist der Patriot-Schutz jetzt schon unverzichtbar. Und auch nicht für Polen oder Rumänien, die rasch ins Visier Russlands geraten könnten. Hingegen Länder, die weiter weg vom Kriegsgeschehen sind – wie Griechenland, Spanien oder die Niederlande. Doch deren Regierungen erteilen der Ukraine entweder klare Absagen – etwa Griechenland – oder sie zögern momentan.
Weisen deshalb EU-Spitzenpolitiker derzeit auf die Dringlichkeit einer nochmals verstärkten Hilfe hin, klingt das für die Ukraine hohl. Worte und Taten klaffen auseinander. Das ist für die Führung in Kiew umso dramatischer, als auch die USA wegen der Blockadehaltung der Trump-Republikaner ihre Ukraine-Hilfe monatelang zurückhalten mussten. All das macht die aktuellen Vorstösse der Russen erst möglich.
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