Gläubige Musliminnen und Muslimen konsumieren nur Produkte, die «halal» sind. Das ist das arabische Wort für «erlaubt». Viele Hersteller produzieren daher Produkte gemäss den islamischen Regeln und kennzeichnen diese entsprechend.
In Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten Gliedstaat Indiens, sind ab sofort alle Halal-Lebensmittel verboten. Das hat die Hindu-nationalistische Regierung von Yogi Adityanath vor einigen Tagen entschieden. Das Verbot gilt für die Produktion, die Lagerung, den Vertrieb und den Verkauf aller Produkte im Bundesstaat. Ausgenommen sind Exportprodukte.
Die Regierung begründet das Verbot damit, dass die Halal-Zertifikate für Verwirrung über die Qualität von Lebensmitteln sorgten. Seit 2011 haben alle vegetarischen Produkte einen grünen Punkt, nicht vegetarische einen rotbraunen. Das müsste laut Regierung reichen.
Die Behörden kritisieren, dass die verschiedenen Zertifikate Geldmacherei seien, weil Halal-Produkte boomen würden. So seien zum Beispiel auf Seifen oder Zahnpasta Halal-Zertifikate gefunden worden. Zudem gibt es für die Halal-Zertifizierung nicht nur eine Behörde. Das erschwere den indischen Behörden die Übersicht.
Auch die Opposition spricht von Verwirrung
Die Opposition spricht sich gegen das Verbot aus. Es stifte Verwirrung. Die Oppositionellen fragen sich, wie das Verbot umgesetzt werden soll. «Es gab schon Razzien in Supermärkten oder Fastfoodketten. Dort hat man nach dem Logo gesucht. Entsprechende Produkte sollen umetikettiert werden», sagt Natalie Mayroth. Sie ist freie Journalistin in Indien.
Kritikerinnen und Kritiker werfen dem Regierungschef vor, gegen die muslimische Minderheit zu hetzen. «Das Verbot richtet sich gegen Musliminnen und Muslime in Indien und bereitet ein Unwohlgefühl für die religiöse Minderheit.»
Für viele Menschen in Indien erschwert das fehlende Halal-Symbol den Alltag. «Bei grossen Fastfoodketten oder abgepackten Produkten stellen sich die Muslime die Frage, ob ein Produkt halal ist. ‹Darf ich das essen? Ist das mit meinem Glauben konform? Ist das ohne Alkohol?› Das kann auch lokalen Unternehmen und Restaurants schaden», sagt Journalistin Mayroth. Bislang reagiert die indische Bevölkerung laut Mayroth jedoch verhalten. Es gab keine grossen Proteste.
Repressionen gegen muslimische Minderheit
Das Verbot der Halal-Zertifikate ist nur ein Beispiel von immer stärkeren Repressionen gegen die muslimische Bevölkerung in Indien. Dass das Verbot in einer strukturschwachen Region wie Uttar Pradesh eingeführt wird, ist kein Zufall.
«In Metropolen wie Mumbai beispielsweise sind die Menschen sehr beschäftigt. Auch viele Musliminnen sind dort Händlerinnen. Dort gibt es weniger Konflikte», erklärt Natalie Mayroth. «In strukturschwachen Regionen gab es auch schon in der Vergangenheit wiederholt Zusammenstösse.» Dennoch hat sich auch in Städten wie Mumbai teils eingebürgert, dass es Wohnhäuser nur «für Vegetarier» gibt, sprich nicht für Muslime.
Auch der Zeitpunkt für die antimuslimische Stimmungsmache mag kein Zufall sein. Besonders vor Wahlen wird diese Taktik angewandt. Wie erfolgreich sie ist, sei schwierig zu sagen, so Mayroth. «Wahrscheinlich ist es ein Instrument, das man austestet. Und die Regierungspartei möchte sich auch ein bisschen von der Kongresspartei absetzen. Der wird vorgeworfen, dass sie den Musliminnen gegenüber Appeasement-Politik betrieben hat.»