In Indien verdichten sich Gerüchte, wonach die hindu-nationalistische Regierungspartei BJP das Land umbenennen will. Indien hat zurzeit die Präsidentschaft der G20 inne. Anders als erwartet wurde die Gastgeberin, Präsidentin Draupadi Murmu, als «President of Bharat» statt «President of India» bezeichnet.
Am selben Tag wurde bekannt, dass sich auch Premierminister Narendra Modi zum Asean-Gipfel in Indonesien als «Prime Minister of Bharat» angemeldet hatte. Zudem verdichten sich Gerüchte, dass bei einer bereits zuvor angekündigten Sondersitzung des Parlaments Mitte September die Umbenennung offiziell beschlossen werden soll.
Was für westliche Ohren befremdlich tönt, ist für Inderinnen und Inder nicht neu. Der Name Bharat ist sogar in der Verfassung von 1949 schon als Synonym für Indien erwähnt.
Der Name kommt aus dem Sanskrit und ist 2000 Jahre alt – und damit deutlich älter als der englische Name India, also Indien, der vor allem bei nationalistisch gesinnten Inderinnen und Indern ungute Erinnerungen an die Kolonialzeit hervorruft.
Namensänderungen an der Tagesordnung
Die Regierungspartei BJP hat schon öfter Städte, Strassen oder Denkmäler, die an die Kolonialzeit erinnern, umbenannt. Von daher würde es ins Bild passen, wenn sie auch dem ganzen Land einen neuen alten Namen verpassen würde. Ihrer Stammklientel würde das gefallen.
Aber die Idee kommt nicht überall gut an. Die Opposition hält gar nichts von einer Umbenennung. Die Regierung werde hoffentlich nicht so töricht sein, den über Jahrzehnte aufgebauten Markennamen «Indien» aufzugeben, argumentiert sie.
Auch Regierungschef Modi selbst hat das Jahr seiner G20-Präsidentschaft bisher intensiv dazu genutzt, die Marke «Indien» weltweit in bestes Licht zu stellen. Und das alles jetzt plötzlich aufgeben?
Kalkulierte Taktik der Regierungspartei
Es könnte noch ein anderer Grund hinter den Plänen stecken, sollten sich die Gerüchte bestätigen: ein Schlag gegen die indische Opposition. Erst vor wenigen Monaten hatten sich verschiedene Oppositionsparteien unter dem Namen India, also Indien, zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Bei der Wahl im kommenden Jahr gemeinsam gegen die Regierungspartei zu kämpfen. Ein schlauer Schachzug, der Premierminister Modi nicht gefallen konnte. Plötzlich kämpfte er nicht gegen zersplitterte Oppositionsparteien, sondern gegen Indien.
Mit der Umbenennung Indiens in Bharat gäbe es eine neue Konstellation. Dann würde plötzlich die Opposition unter dem Namen «Indien» gegen «Bharat» antreten – und damit gegen viele hochgeschätzte Werte und Traditionen, die viele Inderinnen und Inder mit dem alten Namen verbinden.
Gut möglich also, dass es kein Zufall ist, sondern Kalkül, dass die Regierung die Diskussion um die Umbenennung ausgerechnet jetzt, kurz vor dem G20-Gipfel, neu entfacht. Regierungschef Modi hat seine G20-Präsidentschaft zwar zelebriert wie keiner und keine vor ihm und seine Umfragewerte damit nach oben getrieben.
Doch mit dem Gipfel ist die Zeit der G20-Präsidentschaft so gut wie vorbei. Danach richtet sich der Fokus allein auf die erhoffte Wiederwahl. Der neue alte Name könnte Modi dabei helfen. Auch wenn er den Rest der Welt verwirrt.