Nach dem Flugzeugabsturz in Äthiopien mit 157 Todesopfern müssen Dutzende Maschinen des relativ neuen Flugzeugtyps Boeing 737 Max 8 in mehreren Ländern am Boden bleiben. Die Boeing 737 ist eigentlich ein bewährtes Modell. Bei der neuen Version Max 8 gab es aber Anpassungen. Aviatik-Experte Michel Guillaume gibt Antworten.
SRF: Wo liegt der Unterschied zwischen der Boeing 737 und der 737 Max 8?
Michel Guillaume: Der Unterschied ist, dass die Motorgondel (Triebwerk) einen grösseren Durchmesser hat. Um die gleiche Bodenfreiheit einzuhalten, musste das Triebwerk nach vorne versetzt und höher angesetzt werden. Das führt dazu, dass bei der Maschine im Steigflug beim Start die Strömung früher abreisst als beim Vorgängermodell.
Es gibt da ja auch eine Automatik, inwiefern kann diese für den Piloten problematisch sein?
Es gibt eine Automatik. Boeing hat eine Softwarelösung gewählt, das heisst, der Pilot sollte eigentlich gar nichts merken davon. Wenn ich an diese Grenze komme, sollte die Software das Flugzeug automatisch in die gute Position bringen, wo die Strömung nicht abreisst.
Wenn da die Sensoren nicht funktionieren, was ist dann das Problem?
Dann bekommt der Computer falsche Daten, er glaubt nämlich, er sei in einem anderen Zustand und reagiert entsprechend falsch. Und der Pilot ist überrascht, er hat kein Training dafür gemacht, er weiss von nichts, er hat keine Chance zu reagieren. Er macht praktisch einen Blindflug.
Diese Automatik war den Piloten bis vor kurzem nicht bekannt, sagen sie. Warum kann so etwas fatal sein?
Es kann fatal sein, weil es in der kritischen Flugphase wesentlich ist, dass der Pilot sein Flugzeug beherrschen kann – mit oder ohne Automatik. Und darum ist es wichtig, dass er informiert ist. Eigentlich wollte Boeing mit der Automatisation den Piloten Arbeit abnehmen.
Warum hat Boeing das nicht kommuniziert?
Boeing wollte keine Verwirrung stiften. Es ist das Ziel von Boeing, dass die Piloten das alte wie das neue Modell fliegen können. Und es hätte nur Verwirrung gestiftet im Cockpit, wenn man das kommuniziert hätte.
Das Gespräch führte Christian Rentsch.