Der Magdeburger Weihnachtsmarkt ist vor ein paar Tagen zum Tatort geworden, mit fünf Toten und über 200 Verletzten. Knapp eine Stunde nach der Amokfahrt eines aus Saudi-Arabien stammenden Arztes schaltet sich der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, Kopf der europaweit vernetzten Neuen Rechten, in die Desinformation ein – und bald darauf meldete sich auch die AfD zu Wort. Ursula Münch, Professorin an der Bundeswehruniversität in München, schätzt ein, wie sich die Tat auf die Bundestagswahl vom kommenden Februar auswirken könnte.
SRF News: Wer versucht, aus dem Anschlag in Magdeburg politisches Kapital zu schlagen?
Ursula Münch: Es sind vor allem die Kreise von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, welche die ohnehin bestehende Sorge vor terroristischen Übergriffen und gefährlichen Flüchtlingen weiter schüren. Es gab in Deutschland im Jahr 2024 schon mehrere Anschläge und jetzt kommt ein weiterer dazu, und der wird gerne instrumentalisiert.
Im Grunde ist es sicherlich nichts, was den Ausschlag für die anstehende Bundestagswahl geben wird.
Das rechtsextreme Narrativ wurde mit der unbewiesenen These verstärkt, der mutmassliche Täter habe den Islamkritiker gespielt, sei aber gläubiger Muslim. Wie stark könnte dies die Bundestagswahlen vom 23. Februar prägen?
Das reiht sich insgesamt ein in die von einer Teilöffentlichkeit betriebene Stimmungsmache gegen Migranten, Flüchtlinge, aber auch gegen die damalige Flüchtlingspolitik der CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Im Grunde ist es aber sicherlich nichts, was den Ausschlag für die anstehende Bundestagswahl geben wird. Doch in den Kreisen, die den seriösen Medien nicht mehr folgen, werden nur noch solche Interpretationen wahrgenommen. Das wird durch Stimmen aus ausländischen Staaten zusätzlich geschürt. Die gegenläufige Information, dass man noch zu wenig über den Täter weiss und ob er tatsächlich psychisch gesund war, wird von dieser Hetze in gewissen Kreisen übertönt.
Wie beurteilen Sie das Verhalten von Kanzler Olaf Scholz und Nancy Faeser in diesem Stunden?
Vor allem die SPD, zu welcher Bundesinnenministerin Faeser gehört, versucht nun, mit dem Finger nochmals auf den früheren Koalitionspartner FDP zu zeigen, welcher angeblich oder tatsächlich in der Ampelregierung Massnahmen zur Überwachung von potenziellen Terroristen verhindert hat. Das zeigt, dass zwischen Sozialdemokraten und FDP nicht immer Gleichklang bestanden hat und gerade die Bundesinnenministerin mit Blick auf die Überwachung digitaler Netzwerke gerne weitergegangen wäre.
Dass wie in Magdeburg Neonazis aufmarschieren, schürt Ängste in allen Teilen der Bevölkerung und verunsichert Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte extrem.
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland im nächsten Februar mehr nach rechts rutscht?
Das dürfte im Augenblick noch offen sein. Diejenigen, die sich da verunsichern lassen, sind zwar ein grosser Teil der Wählerschaft. Doch ob da jetzt nochmals Neue hinzukommen, ist schwierig abzusehen. Was uns aber Sorgen machen muss, ist, dass jetzt – wie in Magdeburg – Neonazis aufmarschieren, die in allen Teilen der Bevölkerung Ängste schüren und gerade Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte extrem verunsichern. Sie öffnen damit womöglich das Tor für weitere feindliche Übergriffe auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Das muss einen schon verunsichern. Wie es sich auf die Wahlen auswirkt, ist noch zu früh zu sagen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.