Die grösste Regierungspartei, das Movimento Cinque Stelle, hatte schon kurz nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua behauptet, Schuld sei der private Betreiber: der von der Familie Benetton kontrollierte Konzern Autostrade per l'Italia. Doch die Ermittlungen der Justiz gehen längst nicht nur in diese Richtung: Auf der Liste der 20 Personen, gegen die ermittelt wird, stehen auch Namen von Beamten. Leute, die im Transport-Ministerium in Rom arbeiten oder für die Kontrolle der Brücke zuständig waren.
Die Staatsanwälte von Genua gehen also von einer geteilten Verantwortung aus: da wird einerseits gegen den privaten Betreiber Autostrade per l'Italia, dessen CEO Giovanni Castellucci und weitere Spitzenmanager ermittelt. Und da ist andererseits eben auch der Staat selber, der die Konzession vergeben hat und den Konzessionsnehmer hätte kontrollieren müssen. Konkret sind das leitende Beamte des Verkehrsministeriums.
Die 20 Personen, gegen die ermittelt wird, haben eines gemeinsam: Auf ihren Schreibtischen lagen jene Studien und Berichte, aus denen die italienischen Zeitungen nun seit drei Wochen zitieren. Papiere, die auf Mängel und Gefahren hinwiesen und Interventionen verlangten.
Die letzte dieser Studien stammt vom Februar dieses Jahres. Einzelne Fachleute verlangten, die Stabilität der Brücke mit Sensoren stetig zu überwachen. Doch weder wurden solche Sensoren montiert, noch wurde saniert oder die Brücke gesperrt.
Allerdings hat auch keiner der bisher bekannt gewordenen Berichte eine sofortige Sperrung der Morandi-Brücke verlangt.
Auch wenn die Liste mit den Leuten, gegen die ermittelt wird, bereits knapp vier Wochen nach dem Unglück vorliegt, dürfte das Verfahren trotzdem Jahre dauern und durch alle drei Gerichts-Instanzen gehen. Es kann auch sein, dass im Laufe der Ermittlungen weitere Verdächtige dazukommen.
600 Leute sollen neue Wohnungen erhalten
In den nächsten Tagen will die Regierung der Region Ligurien bekannt geben, wie der Rest der Brücke abgebrochen wird – ob durch eine Sprengung oder Stück für Stück. Klar ist, dass die Häuser unter der Brücke beim Abbruch ebenfalls zerstört werden. Die rund 600 Leute, die unmittelbar nach dem Einsturz ihre Häuser verlassen mussten, sollen bis Ende September neue, definitive Wohnungen erhalten.