Anfang Oktober wurde die indonesische Insel Sulawesi von einem Erdbeben erschüttert, gefolgt von einem meterhohen Tsunami. Palu, die Provinzhauptstadt und das Umland, liegen in Trümmern. SRF-Korrespondent Lukas Messmer hat das Katastrophengebiet besucht.
Ein roter Kinderschuh liegt einsam am Strand. Kühe und Ziegen suchen im Schutt nach Essbarem. Im Hintergrund, kurz vor der Küste, schwimmen Schifffe der indonesischen Küstenwache im Meer. Dazwischen: gähnende Leere. Der Tsunami hat den ganzen Küstenstreifen leergefegt.
Wir fahren die Küste hoch nach Donggala. Das liegt im Norden der Bucht von Palu. Hier, in der Nähe des Epizentrums, war der Tsunami klein – aber die Menschen hatten kaum Zeit. Augenzeugen sagen, die Erde bebte, und dann sei die Welle gleich da gewesen.
Welche Häuser stehen geblieben sind, scheint völlig willkürlich zu sein. An einem Strand ist alles weg – doch mittendrin steht noch eine Toilette. Auf die Häuser, die noch stehen, haben die Menschen Slogans gesprüht: «Tsunami 28-9-2018» oder «Jokowi!», den Namen des indonesischen Präsidenten.
Kinder spielen mitten im Chaos. «Hello Mister!», rufen sie. «Where are you from? Take my picture!» Es ist bewundernswert, mit was für einer Energie sie die Katastrophe durchstehen.
Eigentlich waren es drei Katastrophen: Zuerst bebte die Erde mit 7,5 auf der Richter-Skala. Dann rollten drei Tsunami-Wellen durch Palu. Und in den Quartieren Petobo, Balaroa und Jono Oge hat das Phänomen der «Bodenverflüssigung» mehrere tausend Häuser geschluckt.
An der ehemaligen Uferpromenade der Stadt Palu treffen wir Aswadin und Santi. Sie konnten rechtzeitig fliehen und wohnen jetzt auf einem nahen Hügel. Sie kamen zurück, um zu retten, was noch zu retten ist. Mit Sorgfalt packen sie ein Bild von Mekka auf ihr Motorbike.
Metall, Holz und Plastik – alles liegt wild durcheinander. Menschen suchen im Chaos nach allem, was noch Wert hat. Das Metall können sie verkaufen, um sich mit dem Erlös dann Nahrungsmittel zu kaufen.
Offizielle Stellen sprechen zur Zeit von über 2000 Todesopfern. Es werden noch viel mehr sein. Tausende werden vermisst. Man weiss nicht, ob sie weggeschwemmt, verschüttet oder geflohen sind. Die Regierung hat die Suche nach Todesopfern nach zwei Wochen eingestellt.
Die dritte Katastrophe: In Petobo haben sich die sandigen Böden unter der Kraft des Erdbebens einfach verflüssigt. Das Phänomen heisst «Liquefaktion» oder «Bodenverflüssigung». Eine Suppe aus Sand, Wasser und Schlamm hat Tausende Häuser einfach verschluckt und ist dann den Hang hinuntergerutscht.
Die Strasse nach Petobo ist zerborsten. Und hört dann plötzlich auf. Noch vor drei Wochen führte sie hier geradeaus in ein Wohnquartier. Nun führt sie ins nirgendwo.
Das verschlägt auch den Menschen in Palu die Sprache. Still stehen sie da und schauen hinaus auf eine Ebene aus Sand: Hier stand einst ein ganzer Dorfteil. Palmen, Reisfelder, Telefonmasten sind intakt, stehen nun aber einen Kilometer weiter unten am Hang.
Mitten in der Verwüstung weht eine indonesische Fahne. Die Bevölkerung findet zusammen in der Katastrophe. Freiwillige aus ganz Indonesien sind angereist um zu helfen. Auf dem letzten intakten Stück Asphalt der einstigen Strasse steht: «Pray for Petobo!»
Wir gehen durch das zerstörte Quartier. Der Boden ist pickelhart. Es ist kaum vorstellbar, was sich hier abgespielt hat. Auf zwei Quadratkilometern hat die Erde hier in Petobo 2050 Häuser verschluckt. In Balaroa waren es 1045 Häuser auf einem halben Quadratkilometer. Wie viele Menschen in diesem Massengrab liegen, weiss noch niemand.