Das Brexit-Abkommen ist im britischen Unterhaus krachend gescheitert. Rund zehn Wochen vor dem geplanten Austrittsdatum stehen die britische Premierministerin Theresa May und die Europäische Union (EU) vor einem Debakel. Wie nun auf die Schnelle einen Plan B zimmern? Viele Optionen bleiben nicht mehr.
Eine zweite Abstimmung im Unterhaus: Da die Niederlage mit 432 zu 202 Stimmen dramatisch ausfiel, macht ein neues Votum über denselben Deal wohl kaum Sinn. Vor der Abstimmung am Dienstagabend hatten Experten bei 80 Gegenstimmen oder weniger einen zweiten Anlauf für denkbar gehalten. Nach der haushohen Niederlage im Unterhaus sei nun die britische Regierung am Zug. Diese Botschaft schallte einhellig aus Brüssel nach London. «Ich rufe das Vereinigte Königreich dringend auf, uns seine Vorstellungen über das weitere Vorgehen so rasch wie möglich mitzuteilen», forderte auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Das bedeutet auch: Die EU will von sich aus erstmal nichts Neues anbieten.
Die Verschiebung des Brexits: Premierministerin May lehnte eine Verlängerung der Austrittsfrist über den 29. März hinaus immer und immer wieder ab. Aber es wäre nicht das erste Mal, das die konservative Regierungschefin ihre Linie ändert. Sie könnte einen Antrag bei den übrigen 27 EU-Staaten stellen und die würden nach Darstellung von Diplomaten wohl auch zustimmen. Doch wäre das aus EU-Sicht nur sinnvoll, wenn es eine konkrete Begründung gäbe, etwa eine Neuwahl oder ein zweites Referendum in Grossbritannien. Und es ginge nur für sehr begrenzte Zeit. Denn nach der Europawahl vom 23. bis 26. Mai konstituiert sich Anfang Juli das neue Europaparlament. Sind die Briten da noch EU-Mitglied, müssten auch sie Abgeordnete nach Strassburg schicken.
Neues Referendum oder Neuwahl: Für ein zweites Referendum über die EU-Mitgliedschaft Grossbritanniens wäre die Frist bis Ende Juni sehr knapp. Laut Experten bräuchte dies in Grossbritannien nach Richtlinien der Wahlkommission rund fünf Monate Vorlauf. Auch sei unklar, über welche Frage die Briten abstimmen sollten. Und würde das wirklich einen Austritt ohne Abkommen verhindern? Eine Neuwahl könnte eine gütliche Brexit-Lösung voranbringen, zumal die oppositionelle Labour-Partei mehrheitlich eine engere Bindung an die EU befürwortet, mit einer Zollunion und Anbindung an den EU-Binnenmarkt. Labour-Chef Jeremy Corbyn will den Sturz der Regierung bereits über ein Misstrauensvotum erzwingen. Seine Erfolgsaussichten gelten allerdings als schwach.
Rückzieher des Brexit-Antrags: Den Weg hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil im Dezember eröffnet: Grossbritannien könnte seinen Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union jederzeit einseitig zurückziehen, also auch noch unmittelbar vor dem Austrittsdatum. Das Land bliebe einfach wie bisher Mitglied der EU. Ein weiterer Austrittsantrag ist damit nicht ausgeschlossen. Man hätte Zeit gewonnen.
Der Sturz über die Klippe: Angesichts der tiefen Spaltung der britischen Politik und der Tatsache, dass einige britische Abgeordnete einen «No Deal» nicht schlimm finden, wird nicht ausgeschlossen, dass das Land quasi aus Versehen oder aus Zeitnot doch über die Klippe schlittert. Für Wirtschaft, Arbeitnehmer und Bürger brächte dies dramatische Unsicherheit und voraussichtlich einen Konjunktureinbruch.