Zum Inhalt springen

Nach dem Referendum Generalstreik legt Katalonien lahm

  • Allein in Barcelona haben laut lokalen Behördenangaben rund 700'000 Menschen gegen die Polizeigewalt rund um das Unabhängigkeitsreferendum vom Sonntag protestiert.
  • Auch in Girona, Reus, Tarragona und anderen Städten gab es Grossdemonstrationen.
  • An einem Generalstreik beteiligten sich unter anderem Hafenarbeiter, Verkehrsbetriebe Spital- und Universitätsmitarbeiter und Grossteile der Tourismusindustrie.
  • Gegner einer Unabhängigkeit kündigten für den kommenden Sonntag eine grosse Demonstration gegen die Abspaltung von Spanien an.

Der Generalstreik hat heute weite Teile des öffentlichen Lebens in Katalonien zum Stillstand gebracht. So sei der öffentliche Verkehr zurzeit völlig lahmgelegt, berichtet SRF-Korrespondent Erwin Schmid aus Barcelona. In den Spitälern werden nur noch Notfälle behandelt, ein Teil der Geschäfte, Supermärkte und Cafés blieb geschlossen. Der auch bei Touristen beliebte Boqueria-Markt ist beinahe menschenleer.

Der Streik an den Zahlstellen auf den Autobahnen blockiert auch den kompletten Warenverkehr zwischen Spanien und der EU.
Autor: Erwin Schmid SRF-Korrespondent, Barcelona

Zu Protesten vor dem Gebäude der Regierungspartei (PP) hatte der Gewerkschaftsverband Confederación Nacional del Trabajo aufgerufen. Die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra bildete eine Absperrung zwischen dem Gebäude und den Demonstranten, darunter auch hunderte Feuerwehrleute.

Mit dem Massenprotest sei den Gewerkschaften, die zum Streik aufgerufen hatten, eine Machtdemonstration gelungen, sagt Korrespondent Schmid. Diese gehörten mitunter zu den radikalsten Separatisten. «Sie wollen letztlich auch Druck auf die eigene Regionalregierung ausüben, wie angekündigt, einseitig die Unabhängigkeit auszurufen und nicht wieder mit Madrid in Verhandlungen zu treten.»

Einen solchen Dialog hatten die beiden grossen nationalen Gewerkschaften gefordert, die am Streikaufruf nicht beteiligt waren.

Regierungschef Puigdemont mahnt zur Gelassenheit

Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont forderte die Demonstranten auf, bei den Protesten gegen die Polizeigewalt friedlich zu bleiben. «Heute ist ein Tag des demokratischen, staatsbürgerlichen und würdigen Protests», schrieb der 54-Jährige auf Twitter.

Lasst euch nicht provozieren. Die Welt hat es gesehen: Wir sind friedliche Menschen.
Autor: Carles Puigdemont Regierungschef Katalonien

Nach dem Referendum vom Sonntag hatte Puigdemont die Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens angekündigt, aber auch die Notwendigkeit einer Vermittlung hervorgehoben.

Madrid kündigt weitere Härte an

Die Zentralregierung prangerte zur selben Zeit in Madrid eine «Verfolgung» von Staatsbeamten durch die Katalanen an. Der Regionalregierung in Barcelona warf er «Aufstachelung zur Rebellion in den Strassen» vor. Man werde «alles Nötige unternehmen», um die Verfolgung zu stoppen.

Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Saénz de Santamaría kritisierte die Demonstrationen und gab den separatistischen Politikern der Region die Schuld. «Wir werden mafiöses Verhalten der Gemeinden in Katalonien nicht tolerieren», sagte sie in Madrid. Die 10 000 von Madrid entsandten Polizisten blieben am Dienstag jedoch fast alle in den Unterkünften.

Die Vorgeschichte

  • Bei einem Referendum hatten sich am Sonntag in Katalonien rund 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen.
  • Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei rund 40 Prozent. Hunderte Personen wurden verletzt.
  • Mit den Polizeieinsätzen wollte die Zentralregierung die Abstimmung verhindern, dabei gab es fast 900 Verletzte.

Hotels werfen Polizisten raus

Nach dem harten Einsatz der spanischen Staatspolizei während des Referendums haben Hoteliers der Region mittlerweile zurückgeschlagen: Im Küstenort Calella warf ein Hotel mehr als 200 Beamte der paramilitärischen Polizeieinheit Guardia Civil hinaus.

Die Sicherheitskräfte waren von der Zentralregierung in Madrid nach Katalonien entsandt worden und waren seit Tagen in dem Hotel untergebracht. Gemeindepräsidentin Montse Candini bestritt am Montagabend Vorwürfe, der Rauswurf sei auf Druck des Rathauses erfolgt. «Das ist eine Entscheidung von Unternehmern, die ich aber begrüsse.»

Meistgelesene Artikel