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Matthias Schmale: «Mit pragmatischen Beziehungen schafft man Freiräume für die Arbeit der UNO»
Aus News-Clip vom 02.02.2024.
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Nach Kritik an UNO-Hilfswerk «Die Arbeit der UNRWA ist eine ständige Gratwanderung»

Zwölf UNRWA-Mitarbeiter sollen laut jüngsten Vorwürfen am Hamas-Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein. Matthias Schmale, der das UNO-Hilfswerk UNRWA im Gazastreifen von 2017 bis 2021 leitete, sagt, dass man bei der Arbeit immer aufpassen müsse. Doch es gebe keine Alternative.

Matthias Schmale

ehemaliger Regionalchef der UNRWA

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Matthias Schmale leitete das UNO-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser im Gazastreifen von 2017 bis 2021. Zuvor war er für die UNO in New York, Syrien und im Libanon tätig. Heute ist er Berater des UNO-Regionalbüros in Addis, Äthiopien.

SRF News: Waren Sie überrascht, als Sie von den Vorwürfen der Hamas-Verwicklung einiger UNRWA-Mitarbeitenden gehört haben?

Matthias Schmale: Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es solche Vorwürfe geben würde. Andererseits bin ich nicht überrascht. Im Gazastreifen herrscht eine komplizierte Situation. Ich weiss, dass es innerhalb der UNRWA auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Sympathien für die Hamas gibt.

Ist Entwicklungszusammenarbeit überhaupt möglich in einem Umfeld, in dem Machthaber internationale Werte verletzen?

Die UNO arbeitet, wie auch andere Organisationen, in vielen Gebieten, die von Gruppierungen kontrolliert werden, die sich nicht an internationale Werte und Konventionen halten. Der Ansatz der UNO ist, dass man pragmatische Beziehungen aufbauen muss. Pragmatische Beziehungen bedeuten in keinster Weise eine Übereinstimmung mit der Ideologie. Es geht darum, sich Freiräume zu schaffen als UNO, in denen man unabhängig arbeiten kann.

zwei Jungen tragen weissen Mehlsack mit blauem UNRWA-Logo.
Legende: Die UNRWA beschäftigt knapp 29'000 Mitarbeitende im Gazastreifen, im Westjordanland, in Jordanien, Libanon und Syrien. Laut jüngsten Vorwürfen sollen zwölf UNRWA-Mitarbeiter am Hamas-Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein. REUTERS / Ibraheem Abu Mustafa

Wie schafft man den Spagat zwischen dem Einbezug der lokalen Bevölkerung und der Verhinderung solcher Verwicklungen?

Bei der Einstellung werden neue Mitarbeitende aufgefordert, den UNO-Verhaltenskodex zu unterschreiben. Dort wird genau beschrieben, für welche Werte man sich einsetzen muss und wofür die UNO steht. Weiter haben wir ein Monitoringsystem im Management.

Noch wichtiger als das Einstellungsverfahren ist ein gutes Management-Monitoring der Arbeit sowie Trainingsprogramme.

Wir beobachten zum Beispiel sehr genau, wie die fast 9000 Lehrer und Lehrerinnen an den Schulen unterrichten, unter anderem mit unangemeldeten Besuchen. Es geht nicht nur um Terrorakte und Zusammenarbeit mit der Hamas, sondern etwa auch darum, dass die Kinder an den Schulen nicht geschlagen werden. Ich war oft in unseren Schulen und hatte mit vielen unserer fast 13'000 Mitarbeitern Kontakt. Bei weitem die Mehrheit ist den internationalen Werten, für die die UNO steht, verpflichtet.

älterer Mann mit weissem Haar, sitzt an Rednerpult, dahinter blaue UNO-Flagge
Legende: Matthias Schmale war jahrelang im Gazastreifen tätig. Er sagt: Die UNRWA ist eine Art staatliche Behörde, die sich auf Trainings oder unangemeldete Kontrollen verlassen muss. IMAGO / ZUMA Wire

Gibt es weitere Massnahmen während des Rekrutierungsprozesses?

Wir holen Referenzen ein. Wir überprüfen bei wichtigeren Positionen, zum Beispiel Schulleitern und Schulleiterinnen, in unserem Netzwerk, ob irgendwas bekannt ist, was problematisch ist.

Von den Kapazitäten her sehe ich keine Alternative zur UNRWA.

Wir fordern im Gazastreifen keine polizeilichen oder sonstigen Nachweise an, weil die Hamas keine anerkannte Regierung ist. Wenn wir das machen würden, würden unsere Geldgeber sagen: «Das hat keine Glaubwürdigkeit.» Was aus meiner Sicht noch wichtiger ist als das Einstellungsverfahren, ist ein gutes Management-Monitoring der Arbeit sowie Trainingsprogramme.

Gibt es eine Alternative zur UNRWA im Gazastreifen?

Die Arbeit der UNRWA ist eine ständige Gratwanderung. Man muss immer aufpassen. Aber ich habe versucht darzustellen, dass eine Arbeit in solch einem Gebiet möglich ist. Solange man klar und konsequent seine Arbeit verfolgt und Probleme anpackt, wenn sie auftreten.

Zu meiner Zeit haben wir über eine Million Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt. Mittlerweile sind nach den Angaben der UNO zwei Millionen Menschen von Hilfe abhängig. Dazu braucht man Einrichtungen und Personal. Niemand anders hat 12'000 bis 13'000 Mitarbeiter, hat die Lagerhäuser. Von den Kapazitäten her sehe ich keine Alternative zur UNRWA. Wenn die UNRWA nicht die nötigen finanziellen Mittel hat, um die humanitäre Hilfe zu leisten, dann sind die Leidtragenden die zwei Millionen Zivilisten.

Das Gespräch führte Dominique Schlund.

10vor10, 31.01.2024, 21:50 Uhr ; 

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