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Nach massivem Stromausfall Spanien und Portugal kehren zum Normalzustand zurück

Vom Ausnahme- zurück in den Normalzustand: Die Iberische Halbinsel erholt sich langsam vom Blackout zum Wochenstart.

Die Zivilisation ist ein dünner Firnis. Der SRF-Thementag «Blackout» lotete vor acht Jahren aus, was passiert, wenn man ihr den Stecker zieht: Das Handynetz streikt, in Privathaushalten laufen weder Herd noch Kühlschrank, der öffentliche Verkehr bricht zusammen, die Ampeln und Bankomaten verweigern ihren Dienst, in Supermärkten kann nur noch bar bezahlt werden.

Aus Theorie wurde gestern Praxis. Ein massiver Stromausfall legte das öffentliche Leben in Spanien und Portugal weitgehend lahm. Es herrschte absoluter Ausnahmezustand. Wegen des Blackouts sassen unzählige Menschen in Zügen, U-Bahnen und Aufzügen fest, Reisende strandeten an den Flughäfen und auch Internet und Telefonnetze waren zeitweise down.

Frau mit Kerze in dunklem Raum
Legende: Das Wort «Luz», Spanisch für Strom, war Teil fast jeder Unterhaltung von Menschen auf der Strasse. Nachbarn riefen sich von Balkon zu Balkon die neuesten Nachrichten und Gerüchte zu. Getty Images/Anadolu/Stringer

Nun normalisiert sich die Lage wieder langsam. Die Stromversorgung ist laut dem spanischen Netzbetreiber zu 99 Prozent wiederhergestellt:

Auch im Nachbarland Portugal gab es wieder Elektrizität in den meisten Haushalten.

Reisende brauchen weiter Geduld

SRF-Korrespondent Markus Böhnisch ist derzeit in Barcelona. Er bestätigt: «Der Strom ist weitgehend wieder da. Aber es ist ein mühsamer Weg zurück zur Normalität.» An den Flughäfen und Bahnhöfen im Land herrschen weiter chaotische Zustände. Die Warteschlangen sind lang. Bis der Verkehr wieder normal getaktet ist, dauert es noch.

Zur Stunde sind etwa auch nicht alle Zugverbindungen zwischen Metropolen wie Madrid, Barcelona und Sevilla wiederhergestellt.

Flughafen Madrid
Legende: Vom Flughafen in Madrid heisst es, dass es an Bordpersonal fehlt. Denn am Montag fielen reihenweise Flüge aus. Die für heute eingeplante Besatzung kam teils gar nicht in der spanischen Hauptstadt an. Keystone/AP/Manu Fernandez

Der spanische Premierminister Pedro Sánchez forderte seine Landsleute auf, Ruhe zu bewahren. «Bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist, werden wir einige kritische Stunden erleben», sagte er am Montag in einer Fernsehansprache.

Sánchez rief dazu auf, nur kurze und zwingend notwendige Gespräche mit dem Handy zu führen und die Notrufnummer 112 nur zu nutzen, wenn es unbedingt nötig sei, um die Netze nicht zusätzlich zu belasten.

Wie Böhnisch berichtet, blieb es in Spanien tatsächlich weitgehend ruhig, «abgesehen von einer absolut nachvollziehbaren Ungeduld und Erschöpfung von Reisenden und Hilfskräften». Nachrichten über Plünderungen oder sonstige Zwischenfälle gibt es bislang nicht.

In Katalonien hätten die Behörden auch entsprechend vorgesorgt. So habe die Regionalregierung mehr als 7000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten aufgeboten, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Ausnahmezustand in der Metropole Lissabon

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Rolltreppe ausser Dienst in Lissabon.
Legende: Zu Fuss statt mit der Rolltreppe: In der hügeligen Metropole kamen auch die Touristen ins Schwitzen. Keystone/AP/Armando Franca

Der Journalist Tilo Wagner hat den Blackout hautnah in Portugals Hauptstadt Lissabon erlebt. «Es schwebte ein Hauch von Ausnahmezustand über dem Land», berichtet Wagner vom Tag, als plötzlich nichts mehr ging. Vom Kühlschrank über das Internet bis zur Wasserversorgung seien plötzlich die grundsätzlichsten Dinge des Alltags betroffen gewesen.

«Dazu war die Kommunikation fast komplett unterbunden. Es gab kein Fernsehen, keine Online-Medien», sagt der deutsche Journalist. «Nachrichten konnten nur noch via Autoradio oder batteriebetriebene Geräte empfangen werden.» Viele Menschen wussten deswegen anfangs gar nicht, was eigentlich los war – und stürmten die Supermärkte, wo es zu Hamsterkäufen kam.

Immerhin: Die Temperaturen in Lissabon waren bereits frühlingshaft mild. «Dass eine Panik ausgeblieben ist, hat sicherlich auch damit zu tun. Zudem hat der Stromausfall fast ausschliesslich bei Tageslicht stattgefunden», sagt Wagner. So sei das Stromnetz am Montagabend wieder hochgefahren worden und habe Stück für Stück die verschiedenen Regionen Portugals erreicht: «Gegen 22 Uhr war dann auch die Hauptstadt Lissabon wieder mit Strom versorgt.»

Beeindruckend ist laut Böhnisch auch, dass offenbar kaum Menschen aufgrund des Blackouts zu Schaden kamen. Rettungsdienste und Feuerwehren konnten ihre lebensrettende Arbeit verrichten. Die Notstromversorgung in Spitälern war gewährleistet.

In Barcelona entfaltete sich am Montagabend ein besonderes Schauspiel, wie der SRF-Korrespondent schildert: Der Strom eroberte sich die Metropole Strassenzug für Strassenzug zurück. «Es wirkte wie ein Puzzle, das man langsam zusammensetzte.»

Netzbetreiber schliesst Cyberattacke aus

Anhand der bisher durchgeführten Analysen werde ein Cybersicherheitsvorfall als Ursache für den Stromausfall ausgeschlossen, sagte der Direktor für den Systembetrieb des spanischen Netzversorgers Red Eléctrica, Eduardo Prieto.

Spanische Justiz leitet Untersuchung ein

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Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat am Dienstag bekannt gegeben, dass er eine Untersuchung des massiven Stromausfalls vom Montag einleiten wird, um festzustellen, ob ein Cyberangriff die Ursache gewesen sein könnte. In diesem Fall würde Richter Jorge Calama den Vorfall als terroristisches Verbrechen untersuchen, wie aus einem Gerichtsdokument hervorgeht.

«Wir haben bei den Untersuchungen die Unterstützung des nationalen Cybersicherheitsinstituts und des spanischen Nachrichtendienstes. Am Dienstagmorgen konnten wir abschliessend feststellen, dass es keinerlei Eindringen in die Kontrollsysteme von Red Eléctrica gegeben hat, das den Vorfall hätte auslösen können», erklärte Prieto.

SRF 4 News, 29.04.2025, 6:20 Uhr ; 

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