Irans Angriff: Die israelische Armee wirft dem Iran vor, von Syrien aus rund 20 Geschosse auf israelische Stellungen in den besetzten Golanhöhen abgefeuert zu haben. Ein Teil der Geschosse sei von der israelischen Raketenabwehr abgefangen worden. Opfer gab es keine, die Schäden seien begrenzt, teilt ein Armeesprecher mit. Die Raketen seien kurz nach Mitternacht Ortszeit von den iranischen Al-Kuds-Brigaden abgefeuert worden. Die Armee stufe «diesen iranischen Angriff auf Israel als sehr schwerwiegend» ein.
Israels Antwort: Die Armee greift Ziele in Syrien an. Dabei seien «dutzende» iranische Militäreinrichtungen getroffen worden. Israel versicherte zugleich, keine militärische «Eskalation» mit dem Iran anzustreben. Die israelischen Angriffe hätten auf die Abschussorte der iranischen Raketen, Geheimdienst- und Logistikeinrichtungen sowie Lagerstätten und Fahrzeuge abgezielt, sagte der Armeesprecher weiter. Der israelische Militäreinsatz war die heftigste Angriffswelle nicht nur in dem seit sieben Jahren andauernden Bürgerkrieg, sondern seit 1974. Zudem begründete Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Angriff damit, dass der Iran «eine rote Linie» überschritten habe. Genauer spezifizieren wollte der Premier diese Aussage nicht.
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge trafen die israelischen Raketen zudem Stützpunkte der mit Iran verbündeten libanesischen Hisbollah-Miliz südwestlich von Homs sowie in Maadamijat al-Scham westlich von Damaskus. Dort seien iranische, syrische und Hisbollah-Kämpfer stationiert.
Bei den israelischen Angriffe auf iranische Ziele in Syrien sind nach Angaben der Beobachtungsstelle mindestens 23 Kämpfer getötet worden. Die russische Armee teilte mit, bei dem Einsatz seien 28 israelische Kampfflugzeuge beteiligt gewesen, die 70 Raketen abgeschossen hätten. Von israelischer Seite hiess es lediglich, in Syrien seien fast alle Infrastrukturen des Irans getroffen worden.
Syrische Sichtweise: Syrische Staatsmedien berichteten, die syrische Luftabwehr habe «dutzende» Raketen aus Israel abgefangen. Die Angriffe hätten darauf abgezielt, Luftabwehr- und Radarsysteme zu zerstören, berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Ein Radar wurde demnach durch israelische Raketen zerstört. Die Angriffe hätten zudem auf syrische Militärbasen und Waffenlager abgezielt, hiess es in den Berichten weiter. Einige Raketen hätten ihr Ziel erreicht und Militärstützpunkte sowie ein Waffenlager getroffen.
Aus syrischen Armeekreisen verlautete, ein Luftwaffenregiment nahe Dumeir nordöstlich von Damaskus sowie die Brigade 38 bei Daraa seien getroffen worden. Ein AFP-Journalist in Damaskus berichtete in der Nacht von schweren Explosionen in Damaskus sowie massiven Flugbewegungen über der Hauptstadt.
Politische Reaktionen: Israels Verteidigungsminister Avigdor Liebermann sagte, er hoffe, dass die «Episode» nun vorbei sei und «jeder verstanden hat». «Wir haben kein Interesse an einer Eskalation, aber wir müssen auf jedes Szenario vorbereitet sein.» Er sagte, es handle sich um einen punktuellen Konflikt Israels mit den iranischen Al-Kuds-Brigaden, der Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden.
Die USA sehen sich in ihrem Vorgehen gegenüber dem Iran bestätigt. Präsidialamtssprecherin Sarah Sanders wertete den iranischen Beschuss als «zusätzlichen Beweis, dass dem iranischen Regime nicht zu trauen ist». Dies zeige, dass Präsident Donald Trump mit seinem Rückzug aus dem internationalen Atomabkommen die richtige Entscheidung getroffen habe.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas will zu Gesprächen über das Atomabkommen mit dem Iran, den Syrien-Krieg und den Ukraine-Konflikt nach Moskau reisen und dort mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow zusammenkommen. Moskau will genauso wie China und der EU dem Iran-Deal treu bleiben.
Zahlreiche Politiker und Kommentatoren mahnen in der Iran-Krise eine geschlossenere und eigenständigere Haltung Europas an. Der langjährige Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz (SPD), forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, noch enger mit Frankreichs Staatschef Macron zusammenzuarbeiten. «Man darf sich keine Illusionen machen über Donald Trump: Dieser Mann ist irrational», sagte Schulz.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zeigte sich enttäuscht über den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und meinte: «Bezüglich Iran haben wir mit Präsident Trump Meinungsverschiedenheiten.» Mit noch breiteren Verhandlungen könne man die Krise überwinden, so Macron weiter.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach einem Telefonat mit dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani bekräftigt, dass Deutschland am Nuklearabkommen mit dem Iran festhalte. Gemäss dem Regierungssprecher verurteilt die deutsche Kanzlerin die nächtlichen iranischen Angriffe und fordert eine Deeskalation der Lage.