Ob Giuseppe Conte den Regierungspalast definitiv verlässt, ist noch unklar. Denn er könnte von Präsident Sergio Matteralla damit beauftragt werden, eine neue Regierung zu bilden. Doch zumindest die erste Regierung Conte aus Cinque Stelle und Lega ist Geschichte.
Die Wirtschaft wächst nicht
Gemessen an den hohen Ansprüchen fällt die Bilanz ernüchternd aus. Mit Giuseppe Conte als Premier schlitterte Italien erneut in eine Wirtschaftsrezession, obwohl er grossmundig den Aufschwung versprochen hatte. Viele Italienerinnen und Italiener arbeiten weiter ohne feste Verträge im Prekariat, viele Junge finden weiter keine Arbeit und wandern aus, die Löhne bleiben tief.
Abhilfe sollte der Reddito di Cittadinanza schaffen. Doch dieses neue Sozialgeld wurde überhastet eingeführt. Noch fehlen die notwendigen Kontrollen, um Missbräuche zu verhindern.
Trotzdem genoss diese Regierung Popularität. Bei der Wahl ins EU-Parlament im Mai erreichten die beiden Regierungsparteien Movimento Cinque Stelle und Lega über 50 Prozent der Stimmen – allerdings mit erdrückend klarem Vorteil für die Lega Matteo Salvinis.
Salvini profitierte auch von seinem Vorgänger
Die Popularität des Innenministers basiert vor allem auf dessen Flüchtlings- und Migrationspolitik. Doch auch hier fällt die Bilanz beim genauen Hinschauen zwiespältig aus, denn: Es war nicht Matteo Salvini, der die Trendwende bei den Fluchtzahlen geschafft hatte. Schon dessen sozialdemokratischer Vorgänger Marco Minniti hatte die Zahl der Neuangekommenen deutlich reduziert. Salvini hat diese schon tiefen Zahlen allerdings noch weiter gesenkt.
An Zählbarem hat die Regierung Conte wenig geliefert. Zu zerstritten war sie in ganz grundlegenden Fragen: bei grossen Infrastrukturprojekten, bei der Föderalisierung des Staates oder bei der Frage, ob Italien tatsächlich eine Flat Tax (einen tiefen, möglichst für alle gleichen Steuersatz) braucht.
Conte suchte und fand Kompromisse
Dass die Regierung trotz dieser Gegensätze ein Jahr lang über die Runden kam, haben Lega und Cinque Stelle vor allem Giuseppe Conte zu verdanken. Er hat zwischen den beiden ungleichen Regierungsparteien vermittelt, Kompromisse gesucht und gefunden. Er hat dieser Regierung aber auch gegenüber Brüssel ein allseits respektiertes Gesicht verliehen und ihm gelang es, Vertrauen auch bei politischen Gegnern zu schaffen.
Ob Contes Rücktritt tatsächlich definitiv ist, werden erst die nächsten Stunden oder Tage zeigen. Staatspräsident Mattarella muss nun entscheiden, ob Conte oder sonst jemand in der Lage ist, im Parlament eine Mehrheit zu finden. Ansonsten bleibt nur die Neuwahl oder, wie so oft in Italien, die Berufung einer Übergangsregierung aus unabhängigen Experten.