Russland hat offenbar damit begonnen, seine Truppen aus Kasachstan abzuziehen. Das meldet das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag. Zudem habe man «sozial wichtige Objekte» wieder an die kasachischen Behörden übergeben.
Seit rund einer Woche waren in der Ex-Sowjetrepublik ausländische Soldatinnen und Soldaten unter russischer Führung im Einsatz. Die Rückverlegung der Soldaten aus Russland, Belarus, Armenien, Tadschikistan und Kirgistan soll zehn Tage lang dauern. Es liefen zudem Vorbereitungen dafür, dass die Militärtechnik sowie andere Spezialmittel wieder an ihre Standorte zurückverlegt würden, hiess es. Russland hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen auch mehr als 2000 Zivilisten ausgeflogen, darunter neben eigenen Staatsbürgern auch Ausländer.
Mehr als 10'000 Festnahmen
In der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik an der Grenze zu China hatte es Anfang des Monats zunächst Proteste gegen eine Verdopplung der Preise für Gas, das als Kraftstoff für Autos genutzt wird, gegeben.
Die Demonstrationen schlugen nach wenigen Tagen in rohe Gewalt um. Staatschef Kassym-Schomart Tokajew sprach von einem Angriff «terroristischer Banden». Er hatte einen Schiessbefehl erteilt. Es gab mehr als 100 Tote, über 10'000 Festnahmen und Hunderte Verletzte.
Wie geht es weiter in Kasachstan?
Laut der Regierung Kasachstans stabilisiert sich die Lage. Das Leben normalisiert sich, Läden sind wieder geöffnet, der Flughafen der Millionenstadt Almaty ist wieder in Betrieb.
Präsident Kassym-Schomart Tokajew habe die Unruhen dazu genutzt, um sich von der Vormundschaft des abgetretenen Langzeitherrschers Nursultan Nasarbajew zu befreien und auch dessen engste Getreue entmachtet, erklärt SRF-Auslandredaktorin Judith Huber.
Tokajew machte zugleich deutlich, dass er nun der Präsident sei und ihm sogar Präsident Putin zu Hilfe eile. Was der Preis des Kremls für die Hilfe ist, ist laut Huber noch nicht absehbar: Wie stabil das Land längerfristig ist, hängt unter anderem davon ab, ob Tokajew etwas gegen die gestiegenen Energiepreise und niedrigen Löhne unternimmt. Erste Ankündigungen deuten darauf hin, dass er diese Probleme anpacken will.
Armenien in der Zwickmühle
Für Russland war der Einsatz des Militärbündnisses in Kasachstan ein Premiere. Es existiert seit Jahren und war bisher ein Papiertiger. Nun wurde es aktiviert, um einen Volksaufstand in einem russischen Nachbarland niederzuschlagen.
Ironischerweise musste dabei auch Armenien mitziehen, wo der jetzige Regierungschef Nikol Paschinjan 2018 genau durch einen solchen Volksaufstand an die Macht gekommen war, indem er eine korrupte und autokratische Elite entmachtete. Dass nun ausgerechnet armenische Soldaten mithalfen, die Autokratie Kasachstans zu verteidigen, werfe ein schräges Licht auf Armenien und viele befürchteten einen Imageschaden für das Land, so Huber.
Machtdemonstration Russlands
Umso mehr, als Armenien letztes Jahr das Militärbündnis vergeblich um Hilfe bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit Aserbaidschan gebeten habe. Für eine Verweigerung des Kasachstan-Einsatzes sei aber der Druck Russlands wahrscheinlich zu gross gewesen, vermutet Huber. Zu stark sei die Abhängigkeit Armeniens sicherheitspolitisch und wirtschaftlicher: «Doch vermutlich wollte der Kreml den Armeniern einfach die fast vollkommene Abhängigkeit vor Augen führen und der Welt signalisieren, dass ein Militärbündnis unter Russland in der Region intervenieren und dessen Interessen wahren kann.»