Nach dem Angriff der USA auf Kassam Soleimani gibt es kaum einen Vertreter des iranischen Regimes, der nicht Rache gefordert hätte für den Tod des Kommandanten in der iranischen Revolutionsgarde.
Es wird eine Reaktion geben, die der vorhergehenden Tat entspricht
Über die Art der Rache kann nur spekuliert werden. Der iranische Botschafter in Deutschland, Mahmoud Farazandeh, sagte in der ARD, dass der Iran auf die Tötung Soleimanis reagieren werde: «Es wird eine ähnliche Aktion wie die der USA sein», sagte der Botschafter: «Verhältnismässig, angemessen. Zivilisten werden sicherlich nicht verletzt oder getötet. Auch keine kulturellen Stätten werden beschädigt. Unschuldige Menschen werden nicht verletzt. Aber es wird eine Reaktion geben, die der vorhergehenden Tat entspricht.»
Die US-Streitkräfte im Nahen Osten sind in erhöhter Alarmbereitschaft. Das ist ein Hinweis darauf, dass der Iran vor allem Einrichtungen der US-Armee in der Region im Visier hat. Dies betrifft den Bereich des «U.S. Central Command». Das CENTCOM führt das Kommando des US-Militärs im Nahen Osten, der Arabischen Halbinsel und Zentralasien.
«Vom Iran unterstützte Milizen haben schon in der Vergangenheit mehrfach Einrichtungen der USA ins Visier genommen», sagt SRF-Nahostkorrespondent Pascal Weber. «Vor allem im Irak war es zuletzt ein offener Schlagabtausch. Daneben dürften vor allem auch Botschaften der USA als mögliche Ziele gelten.»
Starke Präsenz von US-Truppen
US-Armee-Stützpunkte gibt es in der Region zuhauf: In Afghanistan sind rund 14'000 US-Soldaten stationiert. Dort gab es schon vergangenes Jahr einen Angriff auf US-Soldaten, der den Iranern zugeschrieben wurde, sagt Weber. «Ob das stimmt oder nicht, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist aber, dass die Möglichkeit durchaus besteht.»
Oman hat erst im März US-Truppen offiziell ins Land gelassen. In den Arabischen Emiraten sind es rund 5000, in Katar 13'000 Armeeangehörige, gleich viele wie in Kuwait. In Bahrain verteilen sich rund 7000 US-Soldaten auf drei Stützpunkten der Navy.
Lage im Irak am gefährlichsten
In Saudi-Arabien, dem grossen Gegenspieler des Iran, sind rund 3000 US-Soldaten stationiert. «Spätestens seit dem Angriff auf Ölförderanlagen im September gilt Saudi-Arabien als verwundbar. Aber das Königreich hat zuletzt eher die Hand Richtung Iran ausgestreckt. Darum halte ich einen Vergeltungsschlag dort für weniger wahrscheinlich», sagt Weber.
Im Irak stehen rund 5000 US-Soldaten im Einsatz. Dort sei die Lage sicherlich am gefährlichsten, sagt Weber: «Denn der Iran hat im Irak das Chaos ausgenutzt, das die USA mit ihrer völkerrechtswidrigen Invasion angerichtet haben. Der Iran hat in den letzten Jahren eine eigentliche Parallelstruktur aufgebaut mit Milizen, die nicht in erster Linie Bagdad gehorchen, sondern Teheran. Deshalb ist die Angst gross, dass der Irak erster Schauplatz einer neuen Auseinandersetzung werden könnte.»
Erzfeind Israel als Ziel?
Und schliesslich Israel: Dort gibt es nur eine Radar- und Flugabwehr-Station in der Negev-Wüste mit einigen Dutzend US-Armeeangehörigen. Aber Israel ist der erklärte Erzfeind des Iran und ein enger Verbündeter der USA.
Trotzdem geht Weber von einem Angriff auf Israel am wenigsten aus. «Der Iran weiss, dass er in einer direkten militärischen Auseinandersetzung mit den USA oder Israel nicht bestehen kann. Er wird alles daransetzen, dieses Risiko kontrollierbar zu halten», erklärt Weber.