Die Stadt Ramat Gan gehört zur Metropole Tel Aviv und ist ein Technologie-Zentrum. In einem der markanten Hochhäuser arbeitet der Medien- und Strategieberater Carmi Yogev, wenn er nicht gerade als Feldweibel auf dem Schlachtfeld kämpft.
Im schicken Grossraumbüro erzählt der 42-Jährige, wie seine Reserveeinheit am 7. Oktober 2023, also noch am Tag des Hamas-Angriffs, einrücken musste. «Ich wollte gerade in die Synagoge gehen, um am Simchat Tora Feiertag zu beten, da kam der Anruf vom Militär. Ich wurde zuerst an unsere Grenze zu Libanon geschickt.»
Als Jugendlicher besuchte ich Auschwitz und sah dort die Kindergräber. Da sagte ich mir: So etwas darf uns nie mehr passieren.
Fünf Monate diente Yogev an der Nordgrenze, wo die Hisbollah israelische Dörfer mit Raketen beschoss, danach wurde er in den Gazastreifen geschickt. «83 Tage lang kämpfte ich im Gazastreifen, und danach diente meine Einheit im Libanonkrieg. Ich habe also mehr als 300 Tage Kriegsdienst geleistet.» Yogev tat das freiwillig. Als über 40-Jähriger müsste er gar nicht mehr an die Front.
Sinnfrage nach dem Waffenstillstand
«Als Jugendlicher besuchte ich Auschwitz und sah dort die Kindergräber», erinnert sich der Soldat. «Da sagte ich mir: So etwas darf uns nie mehr passieren. Jetzt haben wir Juden einen eigenen Staat. Den müssen wir verteidigen.» Deshalb diene er freiwillig in einer Kampfeinheit.
Israel kämpfe jetzt, wie schon 1948, um seine Unabhängigkeit, ist er überzeugt. Als die Waffenruhe am 19. Januar in Kraft trat, und die Hamas jede Geiselbefreiung für eine Machtdemonstration nutzte, hätten sich seine Soldaten gefragt, wofür sie gekämpft hätten.
«Die Bilder machten mich traurig, und meine Soldaten fragten sich, wofür ihre Kameraden gestorben seien. Oder wofür sie unwiederbringliche Zeit mit ihren Kindern geopfert hätten. Aber ich bin sicher: Nur dank unseres Einsatzes haben wir die Hamas so weit gebracht, dass sie wenigstens einen Teil unserer Geiseln freilassen.»
Hat Trump womöglich recht?
Was der Krieg sicher gebracht habe, sei eine Schwächung der Hamas: «Ich hoffe, was wir dort getan haben, bringt Israel 25 oder sogar 50 Jahre Ruhe.» Idealerweise verstünden die Palästinenser jetzt, dass Krieg gegen Israel nichts bringe, sagt der Feldweibel.
«Was wir getan haben, bringt hoffentlich eine gute Veränderung im Gazastreifen: eine andere Führung als die Hamas, eine bessere Zukunft für die Bevölkerung in Gaza und für uns.»
«Vielleicht hat Trump recht, vielleicht müssen wir den Gazastreifen anders wiederaufbauen als bisher», sagt Yogev. Damit sein 12-jähriger Sohn nicht eines Tages, wie er, im Gazastreifen Krieg führen müsse. Und damit die palästinensischen Kinder eine Zukunft hätten.
Selbst wenn du wieder daheim bist, hast du den Krieg in dir.
«Ein dreijähriges Kind, das uns Soldaten um Schuhe bittet: So etwas ist für mich als Jude unerträglich. Ich bin mit den Geschichten des Holocaust aufgewachsen und weiss, was so etwas heisst.»
In hochmodernen Grossraumbüro mit der Aussicht über ganz Tel Aviv scheint der Krieg weit weg. Nicht für den Soldaten Carmi Yogev. «Selbst wenn du wieder daheim bist, hast du den Krieg in dir. Du hörst die Kugeln, die Hilfeschreie deiner verletzten Freunde. Ich habe vier Soldaten aus einem brennenden Panzer gezerrt. Nur einer überlebte. Mir muss niemand sagen, wie hoch der Preis ist, den man für Krieg bezahlen muss.»