Abstimmung verschoben: Eigentlich hätte das griechische Parlament schon am Donnerstagabend über einen Vertrag mit dem Nachbarland Mazedonien abstimmen sollen, der festlegt, dass sich dieses neu Nord-Mazedonien nennt. Doch weil sich mehr als 200 der 300 Abgeordneten in die Rednerliste eingeschrieben, kommt es erst heute Nachmittag zur Abstimmung. Das Thema ist in Griechenland höchst umstritten.
Zeichen stehen auf Zustimmung: «Man geht derzeit von einem knappen Ja aus», sagt die Journalistin Rodothea Seralidou in Athen. Regierungschef Alexis Tsipras ist dafür auf mindestens sechs Stimmen angewiesen, die von Abgeordneten anderer Parteien kommen. Seitdem sein Regierungspartner Anel die Regierungskoalition wegen des Mazedonien-Namensstreits verlassen hat, verfügt die Regierung Tsipras bloss noch über die 145 Parlamentsstimmen seiner Syriza-Partei.
Jede Stimme zählt: Die fehlenden Stimmen dürften von jenen Parlamentariern kommen, die für das Abkommen sind, aber Parteien angehörten, die sich dagegen stellen. Manche von ihnen haben sich deshalb von ihrer Partei losgelöst. «Diese Abgeordneten stehen allerdings unter enormem Druck», sagt Seralidou. Ihre politische Zukunft stehe auf dem Spiel, deshalb könnte sich der eine oder andere auch nochmals umentscheiden. «Es wird bis zur Abstimmung spannend bleiben», so die Journalistin.
Es drohen Neuwahlen: Falls das Abkommen im Parlament nicht durchkommt, wird Premier Tsipras wohl zurücktreten müssen, es käme zu Neuwahlen. Bereits hat der Chef der konservativen Partei bekannt gegeben, seine Partei werde mit Mazedonien neue Verhandlungen über den Namen führen, falls er die Neuwahlen gewinnen sollte. «Man würde wieder bei Null anfangen und damit einen riesigen Schritt zurück machen», sagt Seralidou dazu. Damit drohte in der Sache ein Stillstand, Mazedonien bliebe eine Entwicklung in Richtung Europa versperrt.
Schaden für Griechenland: Sollte der Namensstreit jetzt nicht gelöst werden, droht die Zementierung einer seit Jahren verfahrenen Situation: Griechenland würde als das grosse Nachbarland dastehen, das einem armen südosteuropäischen Land aus kaum nachvollziehbaren Gründen den Weg in Richtung Europa und Nato versperrt. «Das würde Griechenland aussenpolitisch enorm schwächen», stellt Seralidou fest. Ausserdem würde sich Mazedonien weiterhin ebenso nennen – genau das, was die griechischen Nationalisten ja gerade nicht wollen.
Chance für die Zukunft: Falls das Abkommen heute im Parlament aber durchkommt, sind die Weichen gestellt, dass der seit Jahrzehnten dauernde Streit zwischen den beiden Nachbarländern dereinst beigelegt werden kann. Der Vertrag sieht vor, dass beide Länder gute Beziehungen pflegen und guten Willens sind, Probleme, die durch die Anerkennung des Namens auftauchen können, zu lösen. «Es wäre eine gute Grundlage, auf der sich die beiden Länder und Völker näher kommen könnten», sagt die Journalistin.