Um was geht es im Namensstreit um Mazedonien? Der Streit belastet die Beziehungen zwischen Griechenland und seinem nördlichen Nachbarland. Der Konflikt reicht ins Jahr 1991 zurück, als die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien unter dem Namen «Republik Mazedonien» ihre Unabhängigkeit erklärte. Griechenland aber will, dass Mazedonien seinen Namen ändert.
Als Grund führt Athen an, dass der nördliche Teil Griechenlands ebenfalls den Namen Mazedonien trägt. Auf Druck Athens und Brüssels verzichtete Skopje 1992 auf jegliche Gebietsansprüche und verankerte dies in der Verfassung; seit 1993 wird das Land in internationalen Organisationen als «Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien», kurz E.J.R.M oder englisch FYROM genannt. Doch der Namensstreit blieb ungelöst.
Darum wehrt sich Griechenland gegen die Namensgebung: Für Griechenland ist Mazedonien etwas Griechisches. Im antiken Griechenland haben die Mazedonier griechisch gesprochen. Ihr König «Alexander der Grosse» hat die griechische Kultur bis weit in den Orient hineingetragen. Mit ihm begann das Zeitalter des Hellenismus. «Für die Griechen ist das schlichtweg kultureller Diebstahl, wenn sich die nördlichen Nachbarn seit Ende des 19. Jahrhunderts als Mazedonier bezeichnen und ihr Land jetzt als Mazedonien», sagt SRF-Auslandredaktor Christoph Wüthrich.
Für die Griechen ist das schlichtweg kultureller Diebstahl.
Zudem trägt auch der Norden Griechenlands, die Region um die zweitgrösste Stadt des Landes, den Namen Makedonien. Die Griechen haben Angst davor, dass wenn sich ihre nördlichen Nachbarn Mazedonier nennen, damit Anspruch auf dieses Gebiet erheben, wo auch der Geburtsort «Alexanders der Grossen» liegt. Es gibt tatsächlich extreme mazedonische Nationalisten, die Karten zeichnen, wo der Norden Griechenlands zu ihrem Land gehört.
Darum beansprucht die Republik Mazedonien den Namen für sich: Die von Griechenland geforderte Bezeichnung Skopje für die 1992 gegründete Republik wird als herabwürdigend empfunden. Auch die Bezeichnung E.J.R.M. gilt als unangemessen.
Mazedonien sei seit jeher der Name der historischen Region, in der die 1992 gegründete Republik liegt, so die Argumentation der Regierung. Die Benutzung dieses Namens liege für den auf diesem Gebiet liegenden Staat daher nahe.
Aus der Namensübereinstimmung mit der griechischen Region liesse sich keine Gebietsansprüche ableiten. Die Mazedonier hätten nicht erst als jugoslawische Teilrepublik unter Tito ein mazedonisches Nationalgefühl entwickelt.
Darum ist die Situation bis heute festgefahren: Mazedonien ist seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Das Veto Griechenlands aber gegen den Nato-Beitritt 2008 führte zur Blockade und zum Höhepunkt im Namensstreit.
Der ehemalige mazedonische nationalistisch-konservative Premierminister Nikola Gruevski ging nach dem griechischen Veto bei der Nato zunehmend auf Konfrontation, u.a. mit der Umbenennung des Flughafens Skopje in «Alexander der Grosse» oder dem Umbau des Stadtkerns von Skopje im antiken Stil.
Verschiedene Experten äusserten den Verdacht, dass Gruevski immer weniger ein Interesse daran hatte, sein Land in die EU zu führen. «In der EU hätte er einen Rechtsstaat verwirklichen müssen», sagt SRF-Auslandredaktor Wüthrich, «Gruevski hingegen wurde immer autoritärer, höhlte die Demokratie aus und konnte dabei den Griechen die Schuld geben für einen stockenden EU-Beitritt.» Somit festigte die griechische Blockade sein Regime bis zu seiner Abwahl 2017.
Darum ist 2018 eine Lösung in Sicht:
- Zoran Zaev an der Macht: Während die vorherige national-konservative Regierung unter Gruevski vor allem an einer Eskalation des Konflikts interessiert war, setzt sich der neue sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Zaev für eine Lösung ein. Zaev geht dafür auf Griechenland zu, auch mit Gesten. So stoppte er teilweise den unter Gruevski begonnenen architektonischen Umbau des Stadtkerns von Skopje.
- Griechenland braucht Erfolgsmeldung: Auch die griechische Seite muss sich bewegen. Nach dem erneuten Scheitern der Zypern-Gespräche benötigt die griechische Regierung dringend einen aussenpolitischen Erfolg.
- Der Zeitpunkt ist gut: In Mazedonien sind die Wahlen vorbei. Die nächsten Wahlen in Griechenland stehen nicht gleich vor der Tür. Nationalistische Populisten können in beiden Ländern die Annäherung weniger leicht torpedieren.
- Wirtschaftliche Vorteile: Das krisengeschüttelte Griechenland bekäme einen besseren Zugang zum Balkan. Mazedonien würde der Handel über den Hafen in Thessaloniki erleichtert werden.
Das sind die Stolpersteine: Es gibt auf beiden Seiten Gruppen, die eine Lösung verhindern wollen. In Griechenland könnte vor allem der kleinere Koalitionspartner, die rechtspopulistische Partei «Unabhängige Griechen», zum Problem werden. Dieser hatte bisher immer abgelehnt, einen Namen mit dem Wort Mazedonien zu akzeptieren. Eine Mehrheit im Parlament für eine neue, endgültige Namensgebung ist nicht sicher. Und auch die griechisch-orthodoxe Kirche äusserte sich skeptisch gegenüber einem solchen Kompromiss.
Auf mazedonischer Seite hat Ministerpräsident Zaev ein Referendum über den neuen Namen versprochen. Die national-konservative Opposition würde vor einer solchen Abstimmung massiv gegen eine Namensänderung mobilisieren.
Das sind die internationalen Interessen an einer Lösung des Konflikts:
- Die EU hat Interesse daran, Mazedonien nach der Regierungskrise von 2017 zu stabilisieren – mit dem Ziel, Beitrittsgespräche zu beginnen, um die Lage auf dem Balkan weiter beruhigen zu können.
- Die USA drängen auf eine Lösung und einen baldigen Beitritt Mazedoniens in die Nato. Sie befürchten, dass Russland, das auf dem Balkan zunehmend destabilisierend auftritt, an dem Konflikt rund um Mazedonien ein Interesse hat.
So geht es weiter:
UNO-Sondervermittler Matthew Nimetz äussert sich optimistisch. Bei Gesprächen zeigten die Regierungen in Athen und Skopje, dass sie eine Lösung finden wollten. Gemäss Medienberichte stehen folgende Namen zur Diskussion: «Republik Neu-Mazedonien», «Republik Nord-Mazedonien», «Republik Ober-Mazedonien», «Republik Vardar-Mazedonien» und «Republik Mazedonien (Skopje)».
Mit welcher Namensoption Athen leben kann, wird sich noch weisen. Laut Ministerpräsident Alexis Tsipras sei es logisch, dass der Name Mazedonien mit einer geografischen oder zeitlichen Definition im neuen Namen beinhaltet sein könnte. Favorisiert wird die Bezeichnung «Republik Neu-Mazedonien».