Auch Schönheitswettbewerbe unterliegen dem Zeitgeist. 2023 wurde in den Niederlanden eine trans Frau zur Miss Niederlande gewählt. Diese Wahl wurde in den sozialen Medien stark angefeindet. Nun hat die Organisatorin der Miss-Niederlande-Wahlen kürzlich bekannt gegeben, dass der Wettbewerb nicht mehr durchgeführt werde. Er sei nicht mehr zeitgemäss.
In der Schweiz findet der Schönheitswettbewerb seit 2018 ebenfalls nicht mehr statt, allerdings aus einem anderen Grund: Die Aktiengesellschaft ging Konkurs. Es gibt in der Schweiz nur noch die Wahl zur Miss Universe Switzerland, das heisst, es wird eine Schweizer Kandidatin für die Teilnahme an den Miss-Universe-Wahlen auserkoren.
Regeln angepasst
In andern Ländern werden die Schönheitswettbewerbe weiter durchgeführt, doch haben sich dort die geltenden Regelwerke verändert. So wurde zum Beispiel letzten Sonntag in Frankreich die älteste der teilnehmenden Kandidatinnen zur Miss France gekürt. Angélique Angarni-Filopon ist 34 Jahre alt. Bis vor zwei Jahren wäre dies nicht möglich gewesen, das Maximalalter der Miss France war auf 24 Jahre begrenzt.
Nicht nur die allgemeine Altersbegrenzung bei diesen Anlässen wurde in Frankreich vor zwei Jahren aufgehoben, neu dürfen auch verheiratete Frauen sowie Mütter teilnehmen. Ebenfalls dürfen sich seit zwei Jahren trans Frauen am Wettbewerb in Frankreich beteiligen, wenn sie den Geschlechtseintrag im Zivilstandsregister geändert haben.
Die grundlegende Norm des jungen, dünnen, weissen, schönen Körpers, der eindeutig weiblich oder männlich ist und keine Behinderung hat, wird aufrechterhalten.
Ob sich damit das generelle Schönheitsideal verändert hat, bezweifelt die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner. Sie forscht an der Universität Wien und befasst sich intensiv mit Körperbildern. Es möge begrüssenswert sein, dass die Regeln bei den Miss-Wahlen angepasst worden seien. «Doch die grundlegende Norm des jungen, dünnen, weissen, schönen Körpers, der eindeutig weiblich oder männlich ist und keine Behinderung hat, wird aufrechterhalten», so die Kulturwissenschaftlerin.
Der Einfluss von Social Media
Die Body-Positivity-Bewegung habe durchaus ihre Spuren hinterlassen, sagt Lechner, in den 2010er-Jahren habe diese Bewegung eine grosse Reichweite gehabt.
Wir sehen, dass sich eine sehr kommerzialisierte Form von Diversität durchgesetzt hat.
Unter «Body-Positivity» versteht man, dass alle Körper als schön und gut angesehen werden. Aber Lechner sagt: «Wir sehen, dass sich eine sehr kommerzialisierte Form von Diversität durchgesetzt hat. Minimale Abweichungen vom Schönheitsideal gelten nun als akzeptabel.» Strukturelle Veränderungen sieht sie allerdings kaum.
Als Beispiel führt sie an, dass die Modeindustrie trotz propagierter Körperdiversität ihre Kleider in den meisten Fällen immer noch in den herkömmlichen Kleidergrössen produziert. Auch gebe es in der Popkultur fast keine Gelder zur Förderung diverserer Schauspielerinnen oder Regisseurinnen.
Die Diversitätsidee an Schönheitswettbewerben hat sich zwar formal durchgesetzt, doch das Schönheitsideal ist gleich geblieben.