Ein neues Gesetz in Israel schreibt Hebräisch als offizielle Sprache fest, Arabisch wird herabgestuft. Auch macht es den hebräischen Kalender zum offiziellen Kalender Israels. Damit sei eine Diskriminierung der arabischen Minderheit im Land unausweichlich, sagt SRF-Korrespondentin Susanne Brunner.
SRF News: Die Befürworter des Gesetzes sagen, es stärke den «jüdischen Charakter» Israels. Was meinen sie damit?
Susanne Brunner: Für Premierminister Benjamin Netanjahu ist das Gesetz eine Rückbesinnung auf die Gründungsprinzipien des Staates Israel – ein Staat des jüdischen Volkes, der aber die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger respektiert. Betont werden soll jetzt, dass Israel der Staat des jüdischen Volkes ist – und nicht irgendein Staat.
Ursprünglich hätte im Gesetz die Schaffung von ausschliesslich jüdischen Gemeinden festgeschrieben werden sollen. In der nun von der Knesset angenommen Version heisst es bloss noch, dass der Staat die Schaffung von ausschliesslich jüdischen Gemeinden fördert. Israelische Gemeinden haben also das Recht, jüdisch zu sein oder zu bleiben.
Kritiker sagen, das Gesetz habe rassistische Tendenzen. Die beinahe 20 Prozent arabischen Israelis würden diskriminiert. Ist da etwas dran?
Die arabische Bevölkerung Israels fühlt sich zum Teil heute schon diskriminiert. Sie beklagt, der israelische Staat benachteilige sie etwa im Gesundheits- und Schulwesen. Ausserdem erklärt das neue Gesetz das Hebräische zur einzigen Landessprache. Arabisch wird zu einer Sprache «mit speziellem Status» herabgestuft. Araber empfinden das Gesetz auch deshalb als rassistisch, weil der jüdische Charakter künftig höher gewichtet wird als jeder andere Charakter in Israel.
Bedeutet das neue Gesetz konkret, dass sich keine Araber mehr in jüdischen Siedlungen niederlassen dürfen?
Es ist unklar, ob Araber jetzt aus jüdischen Gemeinden weggewiesen werden können. Das wird sich erst in der Praxis zeigen.
Das Gesetz spaltet sogar die konservative Likud-Partei von Premier Netanjahu. Dieser ist für das Gesetz, Staatspräsident Reuven Rivlin dagegen. Bedroht das Gesetz gar den Zusammenhalt Israels?
Tatsächlich ist das Gesetz gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Israel – aber nicht bloss, weil sich der Likud dabei uneinig ist. Die israelische Gesellschaft ist schon lange gespalten, und das geht auf das tragische Dilemma des israelischen Staates und der Juden zurück: Wenn Juden als Minderheit in einem Staat leben, werden sie diskriminiert und verfolgt – auch in Europa nimmt der Antisemitismus in letzter Zeit bekanntlich wieder zu.
Eine Diskriminierung der Minderheiten ist unausweichlich, wenn die Mehrheit Regeln erlässt, die eine spezielle Religion über andere setzt.
Deshalb der Gedanke: In einem Staat, in dem die Juden die Mehrheit bilden, werden sie nicht mehr verfolgt oder diskriminiert. Das bedingt aber, dass sie in der Mehrheit bleiben – das hat Netanjahu denn auch betont. Allerdings ist eine Diskriminierung der Minderheiten unausweichlich, wenn die Mehrheit Regeln erlässt, die eine spezielle Religion, Ethnie oder Denkweise über andere setzt.
Wird mit diesem Gesetz neues Öl in den Nahostkonflikt gegossen?
Der Moment für dieses Gesetz ist denkbar schlecht. Die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern sind derzeit sehr gross. Viele hier in Israel sagen denn auch, dass es dieses Gesetz gerade jetzt nicht brauche, die Lage sei schon so genug angespannt.
Das Gespräch führte Roger Aebli.