Darum geht es: Israels Premier Benjamin Netanjahu besucht diese Woche Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Als erstes trifft er in Berlin die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, am Tag darauf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. Im Anschluss wird er in London erwartet. Aus israelischer Sicht ist das iranische Atomprogramm das zentrale Thema bei den Treffen. Es ist ja Netanjahus erste Reise nach Europa, seit die USA den Ausstieg aus dem Atomabkommen angekündigt haben. Die drei europäischen Länder stehen nach wie vor hinter dem Abkommen.
Was will Netanjahu erreichen? «Er will noch einmal versuchen, die Europäer davon zu überzeugen, wie die USA aus dem Atomabkommen auszusteigen», sagt Alexandra Föderl-Schmid, Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» und des «Tagesanzeigers» in Israel. Allerdings – so sagen Diplomaten – sei Netanjahu auch Realist genug, um zu wissen, dass er das wahrscheinlich nicht durchsetzen kann. Er möchte aber zumindest Änderungen erreichen. «Aus israelischer Sicht ist der Iran eine sehr grosse Bedrohung. Für diese Sicht möchte er in Europa werben – und auch einfach mehr Verständnis für die israelischen Belange erreichen», erklärt die Nahostkorrespondentin.
Wie will er Merkel und Macron überzeugen? «Mit Verve, so wie er auch die Präsentation am 30. April angelegt hat», so Föderl-Schmid. Damals stellte er sich vor TV-Kameras und präsentierte das sogenannte geheime Atomarchiv des Iran; Daten und Files, die der israelische Geheimdienst Mossad einige Monate davor im Iran erbeutet hatte. Es war eine mit sehr einfachen Sätzen aufbereitete Präsentation, die vor allem an Donald Trump gerichtet war.
Die Europäer weisen wiederholt auf Themen hin, die man in Israel nicht gerne hört.
«Iran lügt!» war die Message, die bei den Zuschauern hängenbleiben sollte. Und zumindest bei Trump verfehlte dieser Auftritt seine Wirkung nicht. Denn wenige Tage später verkündete Washington, aus dem Atomabkommen aussteigen zu wollen. Als Begründung wurde auf Netanjahus Präsentation verwiesen. «Er will auf jeden Fall probieren, den Europäern die israelischen Positionen zu erklären – auch um seinen Leuten zu Hause zu zeigen: Er gibt alles, um dieses Abkommen zu kippen», erklärt Föderl-Schmid. «Aber er würde sicher nie öffentlich sagen, dass er damit wahrscheinlich keine Chance hat.»
Wie ist das Verhältnis Israels zur EU? Die Beziehungen zwischen Israel und der EU sind schon länger angespannt. Gleichzeitig haben die USA unter Trump ihre Botschaft nach Jerusalem verlegt. Auch mit Russland pflegt Israel neuerdings erfolgversprechende diplomatische Beziehungen.
Das bedeutet, dass man sich immer mehr von den Europäern abwendet.
Vor kurzem habe ein israelischer Minister gesagt, die EU solle zur Hölle fahren, weiss die Korrespondentin. «Da macht sich einfach auch sehr viel Frust breit, weil die Europäer wiederholt auf Themen hinweisen, die man in Israel nicht gerne hört, wie etwa Kritik am Ausbau der Siedlungen.» Nun habe man in Amerika einen Präsidenten, der Israel viel freundlicher gesonnen sei, als es Barack Obama und dessen Administration je war. «Auf die Belange der Palästinenser hinweisen, das machen die Amerikaner nicht mehr», so Föderl-Schmid. Damit blieben nur die Europäer. «Schlicht und einfach ausgedrückt: Die Europäer gehen vielen Israelis mit dieser ständigen Kritik auf die Nerven. Und das bedeutet, dass man sich immer mehr von den Europäern abwendet.»