Darum geht es: Nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS im vergangenen Jahr könnte es nun zu einer weiteren Übernahme kommen: Die italienische Grossbank Unicredit hat ein Auge auf die deutsche Commerzbank geworfen und sich schrittweise über Aktienzukäufe eingekauft. Nun besitzt die Unicredit neun Prozent an der Commerzbank. Diese Pläne stossen in Deutschland nicht überall auf Gegenliebe.
Deshalb ist Unicredit an der deutschen Commerzbank interessiert: Die Unicredit hoffe, so eine neue europäische Grossbank, wie die UBS oder die britische HSBC, zu werden, sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim. «Heute sind die Commerzbank und die Unicredit in ihren Heimatländern grosse Finanzinstitute.» Im globalen Vergleich würden sie aber noch keine bedeutende Rolle spielen.
Wenn diese Bank in Deutschland und Italien gross ist, wird sie es auch in Europa zu einer relevanten Grösse bringen.
Der Vorteil einer neuen Grossbank: Mit der Übernahme der Commerzbank will Unicredit-Chef Andrea Orcel den deutschen Markt aufmischen, wie er in einem Interview mit dem deutschen Handelsblatt sagte. Denn die deutsche Bankenlandschaft sei heute immer noch stark von Sparkassen und Genossenschaften geprägt, so Heim. «In Deutschland möchte Orcel eine starke und grosse Privatbank etablieren. Wenn diese Bank in Deutschland und Italien gross ist, wird sie es auch in Europa zu einer relevanten Grösse bringen.»
Das würde die Übernahme für Konsumenten bedeuten: Mit dem Zusammenschluss von Unicredit und der Commerzbank gäbe es in Deutschland neben der Deutschen Bank, die derzeit die grösste Bank Deutschlands ist, eine weitere Option. Im internationalen Geschäft wäre dies sicherlich willkommen, so Heim. «Für Privatkundinnen und -kunden könnte es in Europa dazu führen, dass es möglich ist, die Bankkarten grenzüberschreitend zu nutzen, ohne zusätzliche Gebühren zahlen zu müssen.»
Die Kritik: Diese komme derzeit vor allem von der deutschen Oppositionspartei CDU, sagt Heim. «Sie kritisiert vor allem einen Punkt, nämlich den Preis, zu dem die Unicredit die Aktien gekauft hat.» Die Unicredit hat einen Teil der Aktien vom deutschen Staat abgekauft. Dieser ist bis heute der grösste Einzelaktionär an der Commerzbank. «Aus Sicht der Opposition hat die deutsche Regierung diese Aktien zu einem viel zu tiefen Preis an die Unicredit weiterverkauft.»
Der zweite Kritikpunkt komme vor allem von der Führung der Commerzbank, sagt Heim. Denn die Unicredit habe heimlich eine Minderheitsbeteiligung aufgebaut. «Es ist klar, dass die Italiener nun dem Management der Commerzbank genau auf die Finger schauen und auch neue Vorgaben machen werden.»
So könnte es weitergehen: Unicredit-Chef Andrea Orcel habe deutlich gesagt, dass er ein aktiver Investor sei, sagt Heim. «Er wird jetzt Druck machen, dass es zu einem Zusammenschluss kommt.» Dies werde nicht von heute auf morgen geschehen, sondern mehrere Monate oder Jahre dauern. «Zuerst muss er die anderen Aktionäre überzeugen, dass dieser Zusammenschluss Chancen bieten kann.» Allenfalls werde die Unicredit auch ein Übernahmeangebot auf den Tisch legen – verschiedene Szenarien seien denkbar.
Bis tatsächlich eine neue europäische Grossbank entsteht, dauert es noch einen Moment.
Die andere grosse Frage sei, ob ein Zusammenschluss oder eine Übernahme von den Behörden genehmigt würde. «Da sind die Behörden in Deutschland, Italien, aber auch in Brüssel involviert», so Heim. Auch sie müssten grünes Licht für eine solche neue europäische Grossbank geben. «Mit anderen Worten: Bis tatsächlich eine neue europäische Grossbank entsteht, dauert es noch einen Moment.»