Heute sollen zwei neue Grenzübergänge zwischen der griechischen und der türkischen Seite der Insel Zypern aufgehen. Diese sind im griechischen Teil der Insel stark umstritten. Die freie Journalistin Christiane Sternberg erklärt, weshalb die Übergänge trotzdem eine Entspannung im Konflikt bedeuten.
SRF News: Es gibt bereits mehrere Grenzübergänge in Zypern. Warum gibt es so starken Widerstand gegen diese neuen Übergänge?
Christiane Sternberg: Seit dem extremen Verfall der Lira im Norden fahren immer mehr griechische Zyprer in den türkisch-zyprischen Norden, um einzukaufen, zum Zahnarzt zu gehen und zu tanken. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Grenzgänger um 80 Prozent gestiegen. Das bedeutet natürlich hohe Verluste für den Staat.
Es sind also vorwiegend wirtschaftliche Gründe, welche die Gegner solcher Grenzübergänge anbringen?
Auf den ersten Blick ja. Die nationalen Kräfte argumentieren, dass die Republik Zypern ausblute, wenn noch mehr Übergänge in den Norden geschaffen werden. Die Verbraucherorganisation hat ausgerechnet, dass allein im ersten Halbjahr der Staat zwölf Millionen Euro Steuergelder verloren hat, weil die Bürger lieber preiswert im Norden tanken. An den Checkpoints machen sie nun sogar Stichproben, um Treibstoffschmugglern auf die Spur zu kommen.
Das wirtschaftliche Argument ist vor allem eine Steilvorlage für die Nationalisten.
Dieses Argument ist aber vor allen Dingen eine Steilvorlage für Nationalisten. Die sagen: Die eigenen Leute fahren in den Norden und finanzieren den illegalen Staat. Die Mitglieder der ultrarechten Elam fordern nicht nur, dass die neuen Übergänge nicht geöffnet werden, sondern gar eine Schliessung aller Übergänge. Denen ist jede bikommunale Annäherung ein Dorn im Auge. Ihr Slogan heisst «Zypern ist griechisch». Es liegt auf der Hand, dass sie die Argumente nun für ihre Zwecke nutzen.
Gibt es im griechischen Teil Zyperns denn auch solche, die diese neuen Grenzübergänge gut finden?
Ja, selbstverständlich. Ein Grossteil der Bevölkerung ist sogar für die Öffnung. Die Pragmatiker finden es natürlich gut, dass sie preiswert im Norden einkaufen können. Und die Befürworter einer Einigung möchten noch viel mehr Übergänge öffnen, weil das vertrauensbildende Massnahmen sind und eine gute Grundlage für Friedensgespräche.
Die neuen Übergänge waren eigentlich schon vor Jahren beschlossen worden. Warum hat das so lange gedauert?
Es hat tatsächlich 3,5 Jahre gedauert. Die Gründe wirken aber eher vorgeschoben. So hat zum Beispiel der Norden eine Ausschreibung für Baufirmen so formuliert, dass niemand diese Vorgaben einhalten konnte. Wenn der politische Wille da gewesen wäre, wären die Übergänge längst offen. Es ging ja jetzt plötzlich auch ganz schnell.
Die UNO wertet die neuen Grenzübergänge als wichtiges Zeichen. Sie würden zeigen, dass die Streitparteien miteinander sprechen würden. Wo stehen wir mit den Friedensgesprächen zurzeit?
Im Oktober haben sich Präsident Nikos Anastasiadis und Mustafa Akinci zum ersten Mal seit 15 Monaten wieder auf ein informelles Gespräch getroffen. Die Konferenz in der Schweiz 2017 wurde damals ja ohne Ergebnis abgebrochen, seitdem lagen sämtliche Verhandlungen und vertrauensbildenden Massnahmen auf Eis.
Die Öffnung der zwei Grenzübergänge spricht für sich.
Eine neue Abgesandte des UN-Generalsekretärs lotet gerade die Bedingungen aus, unter denen sich die Verhandlungspartner wieder an den Tisch setzen würden. Alle Beteiligten geben sich optimistisch. Aber eigentlich spricht die Öffnung der zwei Übergänge für sich. Es bewegt sich tatsächlich wieder etwas.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.