Sie gilt als hartnäckig und direkt, offen und kompetent – und doch haftet ihrer Wahl an die Spitze des IWF ein Makel an. Denn die «Wahl» war mehr ein politisches Geschacher zwischen den USA und Europa, die vor Jahrzehnten abgemacht hatten, dass der IWF-Chef immer aus Europa kommt und der Weltbank-Chef immer aus den USA. Entwicklungs- und Schwellenländer sassen auf der Zuschauerbank.
Nun muss die Nachfolgerin der schillernden Christine Lagarde auch ihren Kritikern beweisen, dass sie die richtige Besetzung ist – und alle 189 IWF-Mitgliedsstaaten gleichermassen vertritt. Denn die Zukunft des IWF hängt auch davon ab, ob die Mitgliedsländer seine Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Und ob es der IWF-Chefin gelingt, bei den Mitgliedern im Ernstfall genügend Ressourcen zu mobilisieren.
Viele trauen ihr das zu: In den letzten Jahrzehnten hat die studierte Ökonomin in verschiedenen Spitzenpositionen bewiesen, dass sie sich durchsetzen kann: Bei der Weltbank, als EU-Kommissarin und Vize-Präsidentin der EU-Kommission.
Von der Weltbank zum IWF
Kristalina Georgieva übernimmt den Chefsessel beim IWF in einem heiklen Moment: Der zweistellige Milliardenkredit an Argentinien, der grösste in der Geschichte des IWF, ist in der Schwebe, weil Argentinien de facto zahlungsunfähig ist. Die Weltwirtschaft steht möglicherweise vor einer Rezession, der Multilateralismus ist in der Krise. Das hat auch mit dem grössten Anteilseigner im IWF, den USA, zu tun.
US-Präsident Trump propagiert Abschottung, der von ihm angezettelte Handelskrieg mit China gilt als einer der grössten Risiken für die Weltwirtschaft. Georgieva wird also den diplomatischen Seiltanz vollführen müssen, den überzeugten Protektionisten Trump einerseits bei Laune zu halten und gleichzeitig glaubwürdig den Multilateralismus zu verteidigen. Denn wenn das weltwirtschaftliche Klima rauer wird, wird der IWF als Retter der letzten Instanz wieder öfter gefragt sein. Dazu braucht der Währungsfonds genügend Finanzreserven. Dazu braucht er die USA.
IWF muss fit für neue Themen werden
Dass die neue IWF-Chefin vermitteln kann, hat sie schon oft bewiesen. In ihrer letzten Funktion als Interimspräsidentin der Weltbank gelang ihr vor zwei Jahren das Kunststück, die notwendige Mehrheit für eine milliardenschwere Kapitalerhöhung zusammenzubringen. Auch die USA zogen mit.
Kapital aufzutreiben, um für den Ernstfall gewappnet zu sein, ist die eine grosse Aufgabe. Den IWF für neue Themen fit zu machen aber die andere, die die neue Chefin meistern muss: Themen wie Klimaschutz und Geschlechtergleichheit, Ungleichheit und Umweltschutz.
Christine Lagarde, die nun an die Spitze der EZB wechselt, hatte diese Themen angeschoben und damit auch versucht, den IWF aus der neoliberalen Schmähecke heraus zu bugsieren. Kristalina Georgieva will diesen Kurs fortsetzen. Das hat sie bereits angekündigt.
Details werden nächste Woche erwartet. Dann hat die neue IWF-Chefin ihren ersten grossen Auftritt – auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington.