Seit den Wahlen vom 4. März ringen in Italien die Wahlsieger – die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega – um die Bildung einer Regierung. Nun ist man offenbar einen entscheidenden Schritt weiter. Wie italienische Medien berichten, haben sich die beiden Parteien auf einen Koalitionsvertrag geeinigt.
Darin ist alles enthalten, was sie im Wahlkampf versprochen hatten: Tiefere Steuern durch die Einführung einer Flat-Tax, ein flexibleres und damit tieferes Rentenalter – heute gilt 67 – oder ein «Reddito di cittadinanza», ein sogenanntes Bürgergeld für Arbeitslose.
Noch gibt es aber zahlreiche Stolpersteine, bis die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen kann, wie SRF-Korrespondent Franco Battel erläutert.
SRF News: Das Regierungsprogramm würde den italienischen Staat zig Milliarden kosten. Wie realistisch ist dieser Koalitionsvertrag?
Franco Battel: Noch sind keine Details bekannt. So weiss man zum Beispiel nicht, wie lange ein Arbeitsloser in den Genuss des Bürgergelds kommen soll. Doch die Kosten des Programms könnten sich durchaus auf 100 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Die beiden Parteien nennen das nun vorliegende Papier zwar einen Koalitionsvertrag, in Wahrheit handelt es sich eher um einen Wunschzettel. Es muss sich erst noch weisen, was davon umgesetzt werden kann.
Sie nennen es zwar einen Koalitionsvertrag, in Wahrheit handelt es sich eher um einen Wunschzettel.
Ebenfalls durchgesickert ist, dass man vom Ausstieg aus dem Euro offenbar Abstand nimmt. Warum?
In den letzten Monaten hat die Fünf-Sterne-Bewegung ihre Meinung zum Euro verschiedentlich geändert, wogegen die Lega in ihrer Kritik am Euro viel konsequenter ist. Nun scheint sich aber die Fünf-Sterne-Bewegung durchgesetzt zu haben – wobei man fragen muss, für wie lange. Allerdings zeigen Umfragen bei den Italienerinnen und Italienern deutlich, dass sie im Euro bleiben und nicht zur Lira zurückkehren möchten.
Ein mühsam konstruierter Kompromiss, bei dem beide Parteien ihr Gesicht wahren können.
Welche Handschrift trägt der Koalitionsvertrag: Jene des Movimento Cinque Stelle oder jene der Lega?
Was bis jetzt durchgesickert ist, ist ein mühsam konstruierter Kompromiss der beiden Parteien. Beide können ihr Gesicht wahren, indem alle ihre Hauptforderungen in das Papier aufgenommen worden sind.
In den vergangenen Tagen kursierten noch ganz andere Ideen, etwa was einen Schuldenerlass durch die Europäische Zentralbank betrifft. Wie verlässlich ist der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt?
Dem Vernehmen nach wird jetzt nur noch an den Details gefeilt. Doch die Entwicklung der letzten Tage zeigt, wie unberechenbar die Politik der beiden Parteien ist, und wie schnell sich alles wieder ändern kann. So stand vor drei Tagen noch in einem Koalitionsentwurf, dass man aus dem Euro austreten wolle oder zumindest einen Weg dazu definieren möchte.
Als Premier muss ein Kompromisskandidat gefunden werden – daran könnte die Koalition noch scheitern.
Ungelöst ist immer noch die Frage, wer Italiens neuer Premierminister wird. Wo steht man da?
Da hat man sich noch nicht geeinigt, die Verhandlungen laufen noch. Das Problem ist, dass beide Parteichefs – Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega – Premier werden wollen. Es muss also ein Kompromisskandidat gefunden werden – und daran könnte die Koalition tatsächlich noch scheitern. Schliesslich muss der Kandidat auch dem Staatspräsidenten Sergio Mattarella passen, denn dieser ernennt den neuen Ministerpräsidenten.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.