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Neuer Anschlag in Deutschland München und der Schrecken ohne Ende

Diesmal ist die Tatwaffe ein Mini Cooper. Im Dezember 2024, auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg, war es ein BMW-Geländewagen. Beide Autos sind stundenlang im Fernsehen zu sehen, mitten auf der Strasse, mit zerschlagenen Frontscheiben. Beide wurden von Geflüchteten in die Menge gesteuert. Die Bilder gleichen sich, die politischen Antworten auch: Wir müssen jetzt, wir sollten, unbedingt und sofort, mit aller Härte, so etwas darf nie mehr passieren. Besorgte Ministerpräsidenten vor Ort in der Kälte, ein deutscher Kanzler, der Entschlossenheit verspricht.

Jetzt trifft es München. Zehn Tage vor der Bundestagswahl. Die Menschen sitzen zu Hause vor ihren Wahlzetteln, Erststimme, Zweitstimme. Wo mache ich mein Kreuz? Es lohnt sich also ein Blick auf die Parteien. Wie verändern sich ihre Wahlperspektiven?

Welche Auswirkungen hat der Anschlag auf den Wahlkampf?

1. Die CDU

Kanzlerkandidat Friedrich Merz wollte nach dem Anschlag in Aschaffenburg, als ein abgewiesener Asylbewerber ein Kind und einen Mann tötete, die Asylregeln massiv verschärfen. Die Grenzen praktisch schliessen. Einen entsprechenden Antrag brachte er nur mit Hilfe der AfD, der Alternative für Deutschland, durch den Bundestag. Das war ein Tabubruch – Merz wurde mit Beschuldigungen überzogen. Doch nach der Tat in München könnte sich seine Härte ausbezahlen. Der Wähler, die Wählerin, kann geschlossene Grenzen auch ohne AfD bekommen. Mit Merz.

2. Die SPD

Für die Partei von Kanzler Olaf Scholz wird es hart. Hätte die SPD Merz unterstützt, wäre der CDU-Antrag für viel härtere Regeln im Migrationsbereich auch ohne AfD durchgekommen. Diese Karte wird nun von Rechts gespielt: Die SPD war gegen die Vorschläge von Merz – das Resultat ist in München sichtbar. Natürlich ist das zu kurz gedacht, niemand hätte in wenigen Tagen eine neue Welt geschaffen. Aber im Wahlkampf kann das ziehen. Da nützt es wenig, wenn Scholz heute sagt, der Täter müsse bestraft und ausgeschafft werden.

3. Die AfD

«Mit der AfD in der Regierung wäre das nicht passiert», sagt AfD-Chefin Alice Weidel heute. Man fordere die Abschiebung von Illegalen, sofortige Schliessung der Grenzen. Gleichzeitig grenzt man sich von der CDU ab. Alles, was die CDU verspreche, sei Wählerbetrug, so Weidel. Sie weiss: In dieser Frage kann ein Härte versprechender Merz gefährlich für die AfD werden. Viele Bürgerliche können sich trotz allem nicht vorstellen, AfD zu wählen. Dennoch ist anzunehmen, dass die AfD nach dem Anschlag in München ein paar Prozentpunkte zulegen kann.

4. Die Grünen

Auch die Grünen stemmten sich zusammen mit der SPD gegen die neue Merz-Härte. Zudem ist die Grüne Aussenministerin Annalena Baerbock auch für Abschiebe-Abkommen zuständig – da wurde in den Augen vieler zu wenig getan. Doch die Grünen haben eine treue Stammwählerschaft – der Öko-Partei wird es weniger schaden als der SPD, der Volkspartei.

5. Die FDP

Migration ist kein Kernthema der Unternehmerpartei FDP. Zudem gingen die Liberalen im Bundestag mit Merz mit. Da wird sich nicht viel verändern.

Folgen über den Wahltag hinaus

Das Thema Migration wird die Tage bis zur Bundestagswahl bestimmen. Und darüber hinaus, wenn es darum geht, eine Regierung zu bilden – in der die AfD, wie Merz verspricht, keinen Platz haben wird. Mit wem immer der voraussichtliche Wahlsieger Merz koaliert – der oder die Partner müssen ein härtestes Asyl- und Grenzregime mittragen.

Denn: Man erträgt sie nicht mehr, die Tatfahrzeuge, stundenlang im Fernsehen, man erträgt es nicht mehr, das Leid der Hinterbliebenen, der Verletzten.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Stefan Reinhart und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 13.02.2025, 12:45 Uhr

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