Keir Starmer ist der neue Gegenspieler von Boris Johnson im Parlament. Der 57-jährige Jurist und ehemalige Menschenrechtsanwalt soll die grösste Partei Europas nach der historischen Wahlniederlage im Dezember wieder auf Kurs bringen. Das bringt viele Herausforderungen mit sich. Hier die drei wichtigsten:
1. Herausforderung: In der Krise nicht auf Gegner schiessen
Die britische Politik lebt eigentlich von Attacke und Gegenattacke zwischen Tory und Labour, und vor allem Johnsons Brexit-Kurs schreit förmlich nach angriffiger Opposition. Doch in den nationalen Krisen neigen die Briten dazu, alle zusammenzustehen und die Regierung zu unterstützen. Brexit passte nicht in dieses Schema, aber die Corona-Pandemie wird als nationale Gesundheitskrise wahrgenommen.
Trotz Problemen: 72 Prozent der Bevölkerung sagen, sie seien zufrieden mit Johnsons Leistung. Wenn Keir Starmer als neuer Parteichef jetzt zu scharf gegen die Regierung schiesst, würde man ihm vorwerfen, Profit schlagen zu wollen aus der Corona-Krise. Taktisch klug ist jetzt: Kooperation statt Konfrontation. Auf die Bremse treten wird nicht leicht, und damit gewinnt man noch keine neuen Wähler. Der neue Parteichef wird sich gedulden müssen.
2. Herausforderung: Weg von Corbyn. Aber wohin?
Der Sozialist Jeremy Corbyn hat die Partei seit 2015 geprägt wie zuletzt Tony Blair. Aber in die komplett andere Richtung. Mit dem 70-jährigen Protestpolitiker ist die Partei stark nach links gerückt. Trotz anfänglichen Erfolgen mit diesem Kurs: Corbyns Beliebtheit nahm stetig ab und mündete in der historischen Wahlniederlage 2019. Keir Starmer wird dennoch nicht einfach brechen können mit Corbyns Erbe, denn dessen Fans sind noch immer engagiert in Funktionen auf allen Parteistufen.
Und es stellt sich die Frage, wohin die Reise geht? Mehr Sozialdemokratie statt Sozialismus? Mehr in die Mitte? So wie damals Tony Blair? Doch gewisse Bereiche der politischen Mitte erobert unterdessen auch Boris Johnson, der ebenfalls bricht mit dem Erbe der Tories, indem er etwa viel mehr Investitionen verspricht. Den richtigen, Labour-eigenen Kurs zu finden, wird also für den Kapitän Keir Starmer nicht leicht.
3. Herausforderung: Profil aufbauen.
Der Jurist Keir Starmer gilt als einer, der mit Fakten und Logik punktet. Bei den angriffslustigen Rede-Duellen im Unterhaus, die die Briten heiss lieben, könnte er damit Boris Johnson in die Defensive zwingen.
Doch ausserhalb des Parlaments wird Keir Starmer noch an Profil zulegen müssen. Der Londoner gilt als fleissiger Schaffer, aber auch als nett und langweilig. Die Wählerinnen und Wähler im Norden beklagen, dass nach Corbyn auch Starmer wieder einer aus der Hauptstadt-Bubble ist. Viele von ihnen haben bei den Wahlen im Dezember zum allerersten Mal für die Tories gestimmt. Will Keir Starmer mit der Labourpartei bei den nächsten Wahlen gewinnen, muss er diese Regionen zurückerobern. Dafür fehlt ihm im Moment noch das Charisma und die Volksnähe.