Es herrscht eher Erleichterung als Enthusiasmus. Doch diese ist in den meisten Hauptstädten rund um den Globus vernehmlich. Die USA bekommen wieder einen Präsidenten, der sich nicht nur der Macht, sondern auch der Verantwortung einer Supermacht bewusst ist. Allerdings wissen alle: Joe Biden wird zunächst innenpolitisch absorbiert sein – Corona, Wirtschaftskrise, tiefe Spaltung der Bevölkerung. Aussenpolitik wird nicht seine Priorität sein.
Beziehungen zu Europa werden wichtiger
Der Nato geht es vor allem um ein klares Bekenntnis zum westlichen Militärbündnis. Das hat man unter Donald Trump schmerzlich vermisst. Von Biden wird es kommen. Das ist entscheidend: Eine Allianz mag militärisch noch so stark sein – wenn die Bündnistreue des wichtigsten Mitglieds infrage steht, wackelt die ganze Allianz.
Doch auch Biden wird von den europäischen Nato-Partnern mehr Geld fordern, wie zuvor schon Trump und Obama. Denn die USA wollen militärische Ressourcen nach Asien umlagern, um China die Stirn zu bieten. Die Beziehungen zu Europa werden wieder wichtiger, berechenbarer werden. Doch so zentral wie im Kalten Krieg werden sie nie mehr sein. Wichtiger und verlässlicher als unter Trump werden hingegen die Allianzen mit den Verbündeten im pazifischen Raum, mit Japan, Südkorea, Taiwan, Australien oder Neuseeland.
Rasch Zeichen setzen
Bei der UNO wiederum erhofft man sich vor allem mehr Engagement der USA. Ganz besonders hoffen das die demokratischen Mitgliedsländer. Also nicht zuletzt der Westen. Denn je mehr die USA bei der UNO auf Tauchstation gehen, geben dort autoritär regierte Länder wie Russland und China den Ton an.
Biden könnte, das wünschen sich jetzt viele, rasch Zeichen setzen. Etwa indem er das Abkommen mit Russland über eine Begrenzung der atomaren Langstreckenwaffen verlängert. Wenn Moskau einverstanden ist, könnte das ganz am Anfang von Bidens Amtszeit passieren. Gerade noch rechtzeitig, damit diese enorm wichtige Vereinbarung nicht ersatzlos ausläuft.
Ja zur WHO, Ja zum Klimaabkommen
Biden dürfte auch, das hat er bereits im Wahlkampf angekündigt, die Austrittsankündigung bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurückziehen. Die USA könnten dem UNO-Klimaabkommen wieder beitreten oder dem UNO-Menschenrechtsrat, ja sogar dem Atomabkommen mit dem Iran. Was allerdings schon schwieriger ist, da mittlerweile auch der Iran diesen Vertrag verletzt. All dies sind Punkte, bei denen Biden lediglich Entscheidungen der Trump-Regierung zurücknehmen müsste.
Weitaus schwieriger wird es, aussenpolitisch zu neuen Ufern aufzubrechen. Um die Abrüstung und Rüstungskontrolle neu zu beleben, fehlt Biden nicht nur im Senat die Mehrheit. Es fehlt auch bei Russland und China die Bereitschaft. Ob die zunehmend wieder von Radikalen geprägte iranische Führung zu einem Neuanfang bereit wäre, steht ebenfalls in den Sternen. Und für die eigentlich nötigen Gewaltanstrengungen der USA in der Klimapolitik gibt es in der Innenpolitik keinen Konsens.
Ein verlässlicher internationaler Akteur
Offenkundig ist auch, wie sich die Führung in Peking und Moskau ziert, Biden zu gratulieren. In Peking geht man davon aus, dass es mit dem neuen Präsidenten nicht einfacher, in Moskau davon, dass es nun erst recht schwierig wird.
Doch in sehr vielen Ländern dürfte man schon froh sein, dass das Weisse Haus nicht länger ein Tollhaus ist. Und dass dort wieder einer regiert, der Fakten von Lügen unterscheiden kann und will. Der sein Land wieder zu einem verlässlichen internationalen Akteur macht.