Wochen- und monatelang hat sich die SPÖ den Luxus geleistet, keine Politik zu machen, sondern eine über weite Strecken peinliche Nabelschau zu betreiben. Eine «rote Trash-Show» sei das gewesen, «die SPÖ sucht ihren Superstar» – sagten Spötterinnen und Kritiker. Wobei diese Partei eigentlich ganz viele Themen hätte beackern können, die ganz weit oben auf ihrem Parteiprogramm und dem Sorgenbarometer zu finden sind: die hohe Teuerung, hohe Mieten, die Klimakrise.
Der Streit um die Parteispitze war gehässig oder beleidigend, in Österreich nennt man das «untergriffig», sodass die SPÖ heute tief gespalten ist und in allen Umfragen hinter den Rechtspopulisten der FPÖ zurückliegt. Die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass genau diese SPÖ in Wien wieder regieren oder zumindest mitregieren soll, das wird ein Kunststück sein.
Bei Ausländerpolitik ein Rutsch nach rechts
Mit Hans Peter Doskozil ist jener Kandidat Parteichef geworden, der immerhin schon regiert, nämlich das kleine Bundesland Burgenland. Dort erfreut sich Doskozil grosser Beliebtheit, er regiert gar mit absoluter Mehrheit. Der 52-Jährige leidet an einer Krankheit am Kehlkopf. Deswegen ist seine Stimme brüchig und leise, man muss ihm also gut zuhören.
Auffällig ist, dass er die SPÖ in der Migrations- und Flüchtlingspolitik nach rechts ziehen möchte. Der frühere Verteidigungsminister Doskozil befürwortet in diesem Bereich eine restriktive Politik, die sonst eher rechte Parteien vertreten. Der neue SPÖ-Chef will ganz offensichtlich auch solche Leute zurückgewinnen, die einst sozialdemokratisch wählten und heute im Lager der Rechtspopulisten sind.
In der Sozial- und Wirtschaftspolitik aber vertritt Doskozil traditionell-sozialdemokratische Positionen, ganz prominent, etwa die Anhebung des Mindestlohns auf 2000 Euro.
Nagelprobe bei den Wahlen 2024
Ob dieser Mix aus linken, aber auch rechten Themen die Partei wirklich beruhigen kann, und ob dieser Mix bei den Österreicherinnen und Österreichern wirklich ankommt, wird man schon bald wissen: Im nächsten Jahr wählt Österreich ein neues Parlament.
Doskozil sagte heute unmittelbar nach seiner Wahl, er würde am liebsten in einer Ampel regieren, wie die deutsche SPD: also zusammen mit den Liberalen und den Grünen. Ein Zusammengehen mit den Rechtspopulisten der FPÖ schloss Doskozil erstmals kategorisch aus.