Das russische Parlament hat die Grundlage für ein Verbot aller ausländischen Organisationen im Land gelegt. Das Gesetz sieht vor, auch Organisationen, die direkt von fremden Staaten gegründet wurden, als «unerwünscht» einstufen und damit verbieten zu können. Bisher konnten nur ausländische Nichtregierungsorganisationen verboten werden. SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie erklärt die Gründe für die Verschärfung des Gesetzes.
SRF News: Wieso soll dieses Verbot nun erweitert werden?
Calum MacKenzie: Die Abgeordneten im russischen Parlament begründen den Schritt damit, dass auch staatliche Organisationen aus dem Ausland der Sicherheit Russlands schaden würden. Konkret würden sie zu Sanktionen gegen Russland aufrufen, russische Investitionen blockieren oder sich in russische Wahlen einmischen.
Das ist die offizielle Erklärung. Aber was steckt wirklich dahinter?
Einerseits wird die Ausweitung des Gesetzes einen Mechanismus bieten, um die Medienwelt in Russland noch weiter einzuschränken. Womöglich werden gewisse Medien, die bei regierungskritischen Russinnen und Russen beliebt sind, zu unerwünschten Organisationen erklärt. Ich denke da an öffentlich-rechtliche Medien aus anderen Staaten, die aber auf Russisch senden – so wie «BBC Russian» oder der russische Dienst der Deutschen Welle.
Für unerwünscht erklärt zu werden, kommt einem Verbot gleich.
Von den privaten russischen unabhängigen Medien sind die meisten schon als unerwünscht eingestuft und BBC und Deutsche Welle sind in Russland bereits blockiert. Aber jetzt würde es für diese beiden auch noch heissen, dass Menschen unter Umständen mehrere Jahre ins Gefängnis kommen können, wenn sie schon nur einen Link zu diesen Webseiten teilen – so läuft das mit den unerwünschten Organisationen in Russland.
Welche weiteren Organisationen könnten noch ins Visier geraten?
Es gibt Anzeichen dafür, dass Russland westliche Studentenaustauschprogramme verbieten will, was etwas heuchlerisch ist, weil die Kinder der Kremlelite in der Regel bis heute im Westen studieren. Aber generell will man westlichen Einfluss in Russland eindämmen und alle Organisationen einschränken, die in einem Bereich tätig sind, den der Kreml lieber selber kontrollieren würde.
Welche Folgen hätte dieses umfängliche Verbot ausländischer Organisationen?
Für unerwünscht erklärt zu werden, kommt eigentlich einem Verbot gleich. Wer in Russland eine solche Organisation finanziert, kann bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen, wer bei ihr tätig ist bis zu vier Jahre, wer sie leitet bis zu sechs Jahre. Man darf in der Öffentlichkeit nicht einmal das Logo einer unerwünschten Organisation zeigen. Grundsätzlich also müssen diese Organisationen ihre Tätigkeiten in Russland komplett einstellen. Gewisse Medien, die unerwünscht sind, arbeiten noch undercover in Russland weiter. Aber das ist für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten ziemlich gefährlich.
Das Gespräch führte Nicoletta Gueorguiev.