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Russland zieht Schlinge um ausländische Organisationen noch enger
Aus SRF 4 News aktuell vom 26.07.2024. Bild: imago images/ITAR-TASS/Sipa USA
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Neues Gesetz Warum will Russland ausländische Organisationen verbieten?

Das russische Parlament hat die Grundlage für ein Verbot aller ausländischen Organisationen im Land gelegt. Das Gesetz sieht vor, auch Organisationen, die direkt von fremden Staaten gegründet wurden, als «unerwünscht» einstufen und damit verbieten zu können. Bisher konnten nur ausländische Nichtregierungs­organisationen verboten werden. SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie erklärt die Gründe für die Verschärfung des Gesetzes.

Calum MacKenzie

Russlandkorrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

SRF News: Wieso soll dieses Verbot nun erweitert werden?

Calum MacKenzie: Die Abgeordneten im russischen Parlament begründen den Schritt damit, dass auch staatliche Organisationen aus dem Ausland der Sicherheit Russlands schaden würden. Konkret würden sie zu Sanktionen gegen Russland aufrufen, russische Investitionen blockieren oder sich in russische Wahlen einmischen.

Das ist die offizielle Erklärung. Aber was steckt wirklich dahinter?

Einerseits wird die Ausweitung des Gesetzes einen Mechanismus bieten, um die Medienwelt in Russland noch weiter einzuschränken. Womöglich werden gewisse Medien, die bei regierungskritischen Russinnen und Russen beliebt sind, zu unerwünschten Organisationen erklärt. Ich denke da an öffentlich-rechtliche Medien aus anderen Staaten, die aber auf Russisch senden – so wie «BBC Russian» oder der russische Dienst der Deutschen Welle.

Für unerwünscht erklärt zu werden, kommt einem Verbot gleich.

Von den privaten russischen unabhängigen Medien sind die meisten schon als unerwünscht eingestuft und BBC und Deutsche Welle sind in Russland bereits blockiert. Aber jetzt würde es für diese beiden auch noch heissen, dass Menschen unter Umständen mehrere Jahre ins Gefängnis kommen können, wenn sie schon nur einen Link zu diesen Webseiten teilen – so läuft das mit den unerwünschten Organisationen in Russland.

Welche weiteren Organisationen könnten noch ins Visier geraten?

Es gibt Anzeichen dafür, dass Russland westliche Studentenaustausch­programme verbieten will, was etwas heuchlerisch ist, weil die Kinder der Kremlelite in der Regel bis heute im Westen studieren. Aber generell will man westlichen Einfluss in Russland eindämmen und alle Organisationen einschränken, die in einem Bereich tätig sind, den der Kreml lieber selber kontrollieren würde.

Bereits 200 NGO verboten

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Russland hat in den vergangenen Jahren – vor allem seit Beginn des von Putin befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine – schon knapp 200 Nichtregierungsorganisationen verboten. Zu den bekanntesten zählen die Naturschutzorganisationen Greenpeace und WWF sowie die Menschenrechtsbewegung Memorial. Auch unabhängige Medien wie Medusa und der Fernsehkanal TV Rain wurden verboten, genauso wie jahrelang in Russland tätige deutschen Parteienstiftungen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Heinrich-Böll-Stiftung. Für die Einstufung ist das Justizministerium verantwortlich.

In den Augen der russischen Regierung seien diese Organisationen Projekte, die Russland schwächen und Russinnen und Russen zum Protest anstacheln sollten, erklärt Korrespondent MacKenzie. Dies gelte insbesondere für Umweltschutzorganisationen. In Russland gab es in diversen Regionen immer wieder Proteste gegen Umweltverschmutzung, etwa wenn sich Anwohner gegen eine Strasse in einem Erholungsgebiet oder gegen eine neue Müllhalde wehrten. Der Kreml betrachte diese Proteste als vom Ausland aus gesteuert. Organisationen wie WWF oder Greenpeace müssten also gestoppt werden – auch wenn sie in der Vergangenheit von Putin gelobt wurden, so MacKenzie.

Welche Folgen hätte dieses umfängliche Verbot ausländischer Organisationen?

Für unerwünscht erklärt zu werden, kommt eigentlich einem Verbot gleich. Wer in Russland eine solche Organisation finanziert, kann bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen, wer bei ihr tätig ist bis zu vier Jahre, wer sie leitet bis zu sechs Jahre. Man darf in der Öffentlichkeit nicht einmal das Logo einer unerwünschten Organisation zeigen. Grundsätzlich also müssen diese Organisationen ihre Tätigkeiten in Russland komplett einstellen. Gewisse Medien, die unerwünscht sind, arbeiten noch undercover in Russland weiter. Aber das ist für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten ziemlich gefährlich.

Das Gespräch führte Nicoletta Gueorguiev.

SRF 4 News, 26.07.24, 6:11 Uhr ; 

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