Habeck? Natürlich Habeck, wer denn sonst? Die Delegierten setzen auf den eloquenten Norddeutschen, um die Partei wieder auf die Füsse zu stellen. Die 96.5 Prozent Zustimmung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich viele im linken Flügel auch Sorgen machen um die grünen Kernanliegen. Diese drohen bei schmerzhaften Kompromissen beim Klimaschutz, sozialen Fragen und der Migration unter die Räder zu kommen.
Aber eine Chance aufs Mitgestalten gibt es nur mit dem pragmatischen Weg. Kaum einer steht – trotz Fehlern – so sehr dafür wie Robert Habeck. Die Grünen mussten schmerzhaft erfahren, wie sich Bürger abwenden, wenn die Klimawende sie überfordert. Er wolle daraus lernen und sich bewegen, versprach Habeck. Wenn die Partei mit Linken und sogenannten Realos diszipliniert bleibt, bietet die linke progressive Mitte realistisches Wählerpotenzial.
Doch der Neustart auf die Schnelle bleibt schwierig. Habeck muss die verunsicherte Partei aus einem tiefen Jammertal holen.
Viel Vertrauen verspielt
Vor drei Jahren verhalf den Grünen der Rückenwind von Fridays for Future zum Höhenflug und zu vielen Mandaten im Bundestag. Grün war für die Jugend cool – der Klimawandel eines der Topthemen im Sorgenbarometer.
Doch seither liefen die Grünen von Niederlage zu Niederlage bei Wahlen. Die Zustimmungswerte sanken, auch jene des einst sehr beliebten Robert Habeck. Es ging viel Vertrauen verloren.
Kardinalfehler Heizungsgesetz
Habeck trägt Mitschuld am Absturz der Partei. Er hatte es zwar geschafft, das billige russische Gas zu ersetzen, das die deutsche Wirtschaft bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine am Laufen hielt. Der Grüne verlängerte die Laufzeit von Kohlekraftwerken, besorgte Gas aus Katar und baute LNG-Terminals in der Ostsee. Mit der ideologiefrei besorgten Energie verhinderte er die gefürchteten eiskalten Wohnungen, mit einer Energiepreisbremse den viel zitierten Wutwinter.
Doch dann wurde das missratene Gebäudeenergiegesetz – das sogenannte Heizungsgesetz – zur Zäsur: Miserable Kommunikation, fehlende soziale Abfederung und viele offene Fragen machten das komplizierte Gesetz angreifbar. Im ganzen Land sorgten sich Bürger vor einem unbezahlbaren, sofortigen Totalverbot ihrer fossilen Heizung – eine Medienkampagne gegen den «Heiz-Hammer» befeuerte die Sorgen. Es begann ein beispielloses «Grünen-Bashing».
Es droht ein hässlicher Wahlkampf
Die Opposition nutzte die Fehler, die Grünen wieder als Verbotspartei zu diffamieren und brandmarkte die Bevormundung einer angeblich rein ideologischen Elitepartei. Linke und rechte Populisten machten aus den politischen Gegnern Feinde und erhielten dafür viel Applaus.
Aus dieser Falle muss Robert Habeck die verunsicherten Grünen jetzt herausführen. Doch gerade, wenn sie sich pragmatisch zeigen, sind die Grünen den Gegnern ein Dorn im Auge – denn es macht sie anschlussfähig.
Der Wahlkampf droht in einer zunehmend hassgetriebenen Zeit besonders hart und hässlich zu werden. Klimaschutz ist längst zum Kulturkampf geworden.