Im Juni 2021 schrieben Naftali Bennett, Yair Lapid und Mansour Abbas Geschichte: Zum ersten Mal seit der Staatsgründung Israels 1948 war eine israelisch-arabische Partei an einer Regierung beteiligt. Vorher waren die zwanzig Prozent arabische Bürgerinnen und Bürger zwar im Parlament, aber nie in der Regierung vertreten.
Aber nicht nur das war historisch: Die drei Politiker schafften es in diesem Moment, Premier Benjamin Netanjahu zu ersetzen. Dieser hatte zwölf Jahre lang ununterbrochen regiert, und Israel eingeredet: ohne ihn drohe dem Land der Untergang.
Israel ging im vergangenen Jahr jedoch nicht unter. Die neue Regierung – eine Koalition aus acht politischen Parteien, von links bis ganz rechts – verschaffte der Bevölkerung eine Verschnaufpause und tat das, was eine Regierung tun sollte: Sie regierte. Seit Ende 2018 hatte Israel nämlich keine funktionierende Regierung mehr.
Als Netanjahu noch Premier war...
Viermal in zwei Jahren gab es Neuwahlen, weil Premier Netanjahu die Mehrheit fehlte, um eine Regierung nach seinem Geschmack zu bilden. Netanjahu wollte um jeden Preis an der Macht bleiben, erst recht, als ihn die Staatsanwaltschaft wegen mutmasslicher Korruption vor Gericht stellte und er im schlimmsten Fall mit einer Gefängnisstrafe rechnen musste.
Netanjahus Wahlkämpfe waren hasserfüllt: Die arabischen Bürger Israels bezeichnete er pauschal als Terroristen, die Linken als Staatsfeinde, er machte immer mehr Konzessionen an streng religiöse und extreme Parteien, auf Kosten der Gesamtbevölkerung, und versuchte die Justiz auszuhebeln. Alles drehte sich um Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara, als ob sie ein Königspaar wären, und nicht der Premier und die First Lady eines demokratischen Staates.
Doch dann schaffte sein ehemaliger Weggefährte und Freund, Naftali Bennett, was zuvor niemand gelungen war: eine Regierung zu bilden.
Demokratie unter Druck: wie überall
Der Start der neuen Regierung war turbulent. Gewaltbereite Netanjahu-Anhänger drohten rechten Politikerinnen und Politikern mit dem Tod, der neue Premier erhielt gar Gewehrkugeln in der Post. Doch Bennett und seiner Koalition gelang es, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
Mit der aussergewöhnlichsten Regierung, die Israel je hatte, kehrte so etwas wie Normalität ein, obwohl sich die Koalitionsmitglieder ideologisch spinnefeind waren. Ihr Konsens beschränkte sich auf die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung und auf «alles, ausser Netanjahu».
Am Ende reichte dieser Minimal-Konsens nicht, und ausgerechnet zwei Mitglieder der Partei Naftali Bennetts hielten dem Druck aus dem Netanjahu-Lager nicht stand und brachten seine Regierung zu Fall. Netanjahu wird alles versuchen, um wieder Premier zu werden.
Gehässiger Wahlkampf – aber ohne Bennett
Nicht nur in Israel gibt es Politiker, die sich selbst am wichtigsten sind, und für die Demokratie nur ein Feigenblatt ist. Die israelische Bevölkerung ist in vielen Fragen gespalten, wie anderswo auch. Und deshalb steht ihr wieder ein gehässiger Wahlkampf bevor, der fünfte in drei Jahren, und wohl erneut die Aussicht auf eine lange Phase der Unsicherheit.
Naftali Bennett tritt selbst als Kandidat nicht an. Von seiner Regierung bleibt der ehemalige Fernsehjournalist Yair Lapid, der jetzt bis nach den Wahlen Übergangspremier wird. Vielleicht schafft er es im Wahlkampf im Herbst, die Israelis daran zu erinnern, dass die Verschnaufpause von Netanjahu guttat, und viel zu kurz war.