Das britische Parlament bespricht den Brexit-Vertrag, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hat. Man müsse davon ausgehen, dass der Vertrag im ersten Anlauf sicher nicht angenommen werde, sagt Ökonom Holger Schmieding. Doch ein ungeordneter Brexit wäre für die britische Wirtschaft verheerend, sagt er.
SRF News: Was passiert bei einem ungeordneten Brexit?
Holger Schmieding: Es hängt davon ab, ob man bei einem No-Deal-Brexit, wie man ihn nennt, also bei einer Scheidung ohne irgendeinen Scheidungsvertrag, zumindest schnell zu pragmatischen Lösungen käme oder ob der vertragslose Zustand so lange andauern würde, dass die britische Wirtschaft in eine grosse Krise gerät. Das ist nicht wahrscheinlich, aber man kann es nicht ausschliessen.
Die Chance, dass dieser Deal insgesamt durchkommt – vielleicht eher im zweiten als im ersten Versuch – dürfte immer noch knapp 50 Prozent betragen.
Wie bekämen das die Briten im Alltag zu spüren?
Nehmen wir mal den härtesten Fall: Grossbritannien fällt aus der EU heraus ohne irgendeinen Anschlussvertrag. Dann gäbe es für den Warenverkehr zwischen der EU und Grossbritannien keine rechtliche Grundlage mehr. Beispielsweise wäre unklar, auf welcher Rechtsgrundlage Arzneimittel vom Kontinent in Grossbritannien verkauft werden könnten. Rechtlich gesehen dürften weder Flugzeuge noch Autos zwischen diesen Teilen Europas verkehren. Stellen Sie sich in der Schweiz vor, dass die Grenzen zu Deutschland und Frankreich gleichzeitig geschlossen würden. Dann können Sie etwa erahnen, was das bedeuten würde, für die Menschen und auch für die Waren.
Denken Sie, das britische Parlament wird Theresa Mays Übereinkunft mit Brüssel doch noch zustimmen?
Es sieht so aus, als würde am 11. Dezember der Deal von Theresa May im Parlament durchfallen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit recht gross, dass er vielleicht eine Woche später noch einmal zur Abstimmung gestellt wird und dass manche Leute, die beim ersten Mal aus lauter Ärger über die Situation mit Nein gestimmt haben, angesichts der Verantwortung für das Land doch Ja stimmen. Die Chance, dass dieser Deal insgesamt durchkommt – vielleicht eher im zweiten als im ersten Versuch – dürfte immer noch knapp 50 Prozent betragen.
Das Gespräch führte Jan Baumann.