- Im Streit über Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland hat die EU-Kommission vier neue Verfahren gegen das Vereinigte Königreich eingeleitet.
- Die Brüsseler Behörde wirft London vor, gegen wesentliche Teile des sogenannten Nordirland-Protokolls zu verstossen.
- Vertragsverletzungsverfahren können zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen und mit einer Geldstrafe enden.
Die EU-Kommission geht unter anderem gegen London vor, weil das britische Unterhaus am Mittwoch einen umstrittenen Gesetzesentwurf zum Nordirland-Protokoll in dritter Lesung angenommen hat. Mit dem Gesetz würden die Brexit-Vereinbarungen zur Provinz Nordirland ausser Kraft treten.
Zustimmung vom House of Lords notwendig
Das Gesetz zur Ausserkraftsetzung des Nordirland-Protokolls tritt vorerst nicht in Kraft. Zuerst muss die zweite Parlamentskammer, das House of Lords, dem Gesetzesentwurf zustimmen. Das Gesetz dürfte im Oberhaus aber auf mehr Widerstand stossen.
Zuvor habe die Regierung von London schon Teile des Vertrags verletzt, heisst es seitens der EU. Die EU-Behörde zeigte sich bis jetzt kulant, um eine konstruktive Zusammenarbeit nach wie vor zu ermöglichen. Die mangelnde Bereitschaft des Vereinigten Königreichs für einen Diskurs und das Verfahren zur Verabschiedung des Nordirland-Protokoll-Gesetzes laufen der EU aber zuwider.
Grossbritannien hat jetzt zwei Monate Zeit, um zu reagieren.
Nun müsse die EU-Kommission handeln. Sie leitet deshalb Vertragsverletzungsverfahren gegen Grossbritannien ein. Konkret gehe es bei den Vorwürfen neben dem britischen Gesetzesentwurf auch um das Nichteinhalten von geltenden Zollvorschriften und das Nicht-Umsetzen von bestimmten EU-Vorschriften. Grossbritannien hat jetzt zwei Monate Zeit, um zu reagieren.
Der Streit zwischen der EU und Grossbritannien über die Umsetzung der Brexit-Regeln dauert schon lange an. Im Juni hat die EU-Kommission zuletzt den Druck auf das Land erhöht und zwei neue Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Ein weiteres Verfahren nahm sie wieder auf.
Droht der EU ein Handelskrieg mit Grossbritannien?
Falls keine Vereinbarung gefunden wird, droht ein Handelsstreit. Denn beide Fronten sind nicht bereit, von ihrer Position abzuweichen. Die EU-Kommission will im Rahmen der bestehenden Vereinbarungen Lösungen suchen. Sie ist nicht bereit, das Nordirland-Abkommen im Rahmen des Brexit-Vertrags ausser Kraft zu setzten. Auf der britischen Seite sieht dies anders aus: Aussenministerin Liz Truss und Ex-Finanzminister Rishi Sunak, die Kandidatin und der Kandidat für das Amt des britischen Premiers, haben bisher keine Anzeichen erkennen lassen, einen Kompromiss im Rahmen der Vereinbarung mit der EU finden zu wollen.